Das Lobbyinstitut vom Datenschutz-Experten Rolf Schwartmann – das TTDSG Teil3

EinleitungTTDSG

Im letzten Teil der Artikelserie wurde auf einen Namen noch nicht näher eingegangen, obwohl er eng mit Entstehung und Auslegung des TTDSG verwebt ist: Rolf Schwartmann ist Leiter der von ihm gegründeten Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, Mitglied der CDU und des Bundesarbeitskreises Christlich Demokratischer Juristen (BACDJ). Der habilitierte Jurist war an zahlreichen juristischen Beiträgen rund um das Gesetz beteiligt. Der gut vernetzte Professor beackerte mit vielen von ihm geleiteten oder verknüpften Organisationen bereits früh den Gesetzgebungsprozess und auch die spätere Auslegungspraxis. Darüber hinaus hat er über ihm verbundene Verlage auch eine erhebliche mediale Öffentlichkeit, die er vorwiegend für einseitige Betrachtungen nutzt. Ist das noch »praxisnahe« Wissenschaft oder mangelt es hier an einer sauberen Trennung zwischen neutraler Rechtswissenschaft und interessengesteuerter Lobbyarbeit?

Schwartmann

Der Medienrechtler Rolf Schwartmann. Bildquelle: Rolf Schwartmann by Christliches Medienmagazin pro, auf Flickr CC-BY, https://flic.kr/p/RA2PE3

Es sind schon öfters Zweifel an der Neutralität von Rolf Schwartmann aufgekommen, 2012 wurde ihm in einem Gegengutachten des Medienrechtlers Thomas Hoeren auf das Freundlichste eine Nähe zur Urheberlobby unterstellt:

Dabei ist mit der Erstellung des Kurzgutachtens keine persönliche Kritik an den renommierten Verfassern der BMWi-Studie verbunden, deren langjährige Zusammenarbeit für die und mit der Musikwirtschaft hohen Respekt verdient.

Gegen den versteckten Vorwurf wehrte sich Schwartmann verärgert, es bestehe oder bestand keine derartige wirtschaftliche Verbindung. Für die wissenschaftliche Unabhängigkeit stehe »insbesondere der Beirat der Forschungsstelle, dem hochrangige Vertreter der Internetwirtschaft, aber auch des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks, der Verlage, der Wissenschaft und der Medienaufsicht« angehören.

Diese Entkräftung klang damit fast genauso unterhaltsam wie der Vorwurf.

Auch im Internet kursieren Blogbeiträge (zum Beispiel vom Medienanwalt Thomas Stadler) und mehrere journalistische Beiträge (Spiegel, Handelsblatt, Telepolis), die Rolf Schwartmann oder anderen Mitarbeitern der Kölner Forschungsstelle Einseitigkeit vorwerfen.

Tatsächlich folgen die Rechtstexte von Rolf Schwartmann einer überdehnten wirtschaftsfreundlichen Perspektive. Darüber drehen sie sich auch immer wieder um konkrete Ideen, die sich mit Zielen von weiteren Organisationen decken, mit denen Schwartmann verbunden ist. In diesem Bericht werden wir diese Verbindungen offenlegen.

Schwartmann: »Keine Bedenken« bei Werbetracking

Lobbyarbeit versucht oft, die Meinungsbildung zu einem frühen Zeitpunkt zu lenken und zu verändern, bevor sie sich verfestigt. Im Rückblick erkennt man manchmal besser die Verzerrungen. Hier als Beispiel ein älteres Zitat von 2018 zur Werbepersonalisierung aus einem Abschnitt in einem Gesetzeskommentar zur DSGVO, den Rolf Schwartmann mit einem Kollegen verfasst hat:

Die Anzeige etwaiger zielgerichteter Werbung ist in der Regel transparent für die betroffene Person. Insofern bestehen gerade bei pseudonymer Nutzung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person für die Zwecke des Online-Marketings und der Online-Werbung keine Bedenken, im Rahmen der Abwägung des Art. 6 Abs. 1 lit. f die Abwägung zu Gunsten des Verantwortlichen zu zulassen.

Die Formulierung erschien Wort für Wort genauso in einer Pressemitteilung des Interessensverbands »Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung« (GDD), in der Schwartmann Vorsitzender ist. Maxime des Verbands: »für einen sinnvollen, vertretbaren und technisch realisierbaren Datenschutz«.

Heute, nach millionenschweren Bußgeldern, weiß man, dass diese großzügige Rechtsauslegung völlig daneben lag und Behörden wie Gerichte den Fall mit neutralem Blick anders einschätzen. Auch technisch war die Behauptung nicht fundiert: Die massiven Datenschutzprobleme und der Transparenzmangel in der personalisierten Werbung, insbesondere im Real Time Bidding, waren damals schon lange bekannt.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:

1. Der Lobbyprofessor Schwartmann im Gesetzgebungsverfahren

Aber rollen wir die Einflussnahme vom Netzwerk um Rolf Schwartmann mal im Detail auf: Für die Ausarbeitung des TTDSG hat der Digitalbeauftragte des damaligen Wirtschaftsministeriums, Thomas Jarzombek (CDU) ein Gutachten bestellt und eine Expertenrunde einberufen. Sieht man sich die einseitige Auswahl an, wollte man dabei wohl eher der Wirtschaft und weniger Verbraucherverbänden und Datenschutzorganisationen eine Teilnahme an der Debatte ermöglichen.

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Über PIMS stets nur Gutes zu berichten

Neben einer Ausnahme für Analysecookies standen vor allem die immer noch nicht eingeführten Consent-Verwaltungstools PIMS (Personal Information Management System) auf der Diskussionsliste. Die können zwar unter bestimmten Umständen für Nutzer Vorteile bringen, bergen aber auch Gefahren. Wer beispielsweise von unfairen Einwilligungsverwaltern einmal in eine Blanko-Einwilligung getrickst wurde, ist für das Verwertungsnetzwerk dieses Verwalters eine endlos melkbare Datenkuh. Große Fans der Lösung sind daher Login-Verwalter wie United Internet (GMX) und die damit verbundene netID-Stiftung. Man wollte sogar Browserherstellern verbieten, Cookies zu blockieren, wenn ein Nutzer seine Einwilligung gegeben hatte.

Zum Auftakt schrieb also Schwartmann mit dem CDU-Ministerialbeauftragten erst mal einen Gastbeitrag für die FAZ, in dem sie, ausgehend von Googles neuesten Trackingideen, ein zentrales treuhändisches PIMS als Lösung für personalisierte Werbung vorschlugen, die man nun in das TTDSG aufnehmen müsse.

Dann forderte das Bundeswirtschaftsministerium ein Gutachten an. Ursprünglich waren hier wieder drei mit Schwartmann verbundene Organisationen eingeplant: Die GDD, in der Schwartmann Vorsitzender ist, die Datenethikkommission, in der Schwartmann Mitglied ist, und die Fokusgruppe Datenschutz, in der Schwartmann Leiter ist.

Schwartmann und Schwartmann zitieren Schwartmann

Im Gesetzgebungsprozess war Schwartmann dann ebenfalls mehrfach involviert. Als Fachhochschul-Professor durfte er sowohl eine schriftliche Stellungnahme abgeben und wurde auch mündlich als Sachverständiger angehört. Die GDD unter seinem Vorsitz durfte ebenfalls eine Stellungnahme einreichen. Die Stellungnahme der GDD trägt keinen Autor, ähnelt aber streckenweise stark dem Wortlaut des Schwartmann-Sachverständigen-Textes. Hier ein Beispiel:

GDD-Gutachten:

Wichtige praxisrelevante Fragen im Zusammenhang mit Cookies und vergleichbaren Verfahren bleiben dadurch ungelöst.

Schwartmann:

Wichtige Praxisfragen im Zusammenhang mit Cookies und vergleichbaren Verfahren bleiben nach der geplanten Regelung, die sich unmittelbar am Wortlaut der ePrivacy-Richtlinie orientiert, ungelöst.

Hat hier am Ende Rolf Schwartmann als Professor für Medienrecht und dann nochmals als Vorsitzender der GDD ähnliche Ideen in die Gesetzgebung eingebracht? Beide Texte zitieren wiederum den Wissenschaftler Schwartmann, sodass sich das Ganze so oder so argumentativ im Kreise dreht. Und dann wurde das nochmals multipliziert durch die Stellungnahme und Anhörung von Kristin Benedikt, die ebenfalls im Vorstand der GDD sitzt, hier aber im Namen des Europäischen Instituts für Medienrecht aktiv war (ein Interessensvertreter für Rundfunkanbieter).

Wem jetzt noch nicht schwindelig ist: Schwartmann ist schließlich noch zwei weiteren Organisationen verbunden, die eine Stellungnahme abgeben durften: Für die bereits erwähnte netID-Foundation war Schwartmann bis April 2021 als Stiftungsrat tätig und für United Internet schreibt er regelmäßig eine Kolumne.

2. Der Lobbyprofessor Schwartmann in der Auslegungsdebatte

Auch nach der Verabschiedung des Gesetzes konnte Schwartmann seine Lobbyarbeit fortsetzen: über den juristischen Auslegungsprozess, auf den er als Herausgeber von Kommentaren und juristischen Fachzeitschriften großen Einfluss hat. Kommentare sind eine enorm wichtige Quelle für die tägliche Gerichtspraxis, entsprechend wichtig wäre eine neutrale Sichtweise.

Freie Gerätezugriffe als wirtschaftliches Förderprogramm?

Für die mangelnde Neutralität spricht auch die Wendung von Schwartmann: Während er vor der Gesetzgebung noch anmahnte, dass wichtige Rechtsfragen im Hinblick auf Reichweitenmessung und Analyse »ungelöst« seien, hat er danach in dem von ihm herausgegebenen Handkommentar »TTDSG« plötzlich wenig Zweifel, wie man die Sache auslegen muss:

„Gleichwohl sollte der Begriff [der unbedingten Erforderlichkeit] nicht in einer Weise (über-)interpretiert werden, der die Digitalisierung hemmt und die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Unternehmen beeinträchtigt. Bei sachgerechter Interpretation können nicht nur solche Endgerätezugriffe als „unbedingt erforderlich“ anzusehen sein, deren Unterlassen zu einem sofortigen Hindernis bei der Bereitstellung der Dienstleistung führt.“

Die Argumentation: Analysetools am Endgerät gehen in Ordnung, damit nationale Unternehmen Geschäfte im Umfeld schwieriger internationaler Konkurrenz machen können.

Diese Perspektive ist nicht nur einseitig, sondern verlässt auch den juristischen Kontext des Gesetzes, der ja ein ganz anderer ist als die DSGVO, die sich auch unternehmerischen Interessen öffnet. Geschützt wird im TTDSG §25 die Privatsphäre von Smartphones oder Laptops, nicht die Industrie. Und weder Erwägungsgrund 66 noch andere Stellen der ePrivacy-Richtlinie eröffnen Möglichkeiten für wirtschaftliche Interessen. Im Gegenteil: Erwägungsgrund 54 thematisiert sogar, dass trotz Marktliberalisierung, Wettbewerb und rasanter technologischer Entwicklung der Schutz der Privatsphäre gewährt bleiben soll. Warum wird dieser Kontext in der Auslegung nicht abgewogen? Auch wenn man kein Rechtsexperte ist, fallen bei Schwartmann an manchen Stellen solche grundsätzlichen wissenschaftlichen Schwächen auf. Die Begründungen und Auslegungen sind teilweise vorrangig mit den Zielen begründet, die Schwartmann verfolgt. Das ist anwaltliche Praxis, aber von einer rechtswissenschaftlichen Arbeit darf man auch als Laie erwarten, dass sie ergebnisoffen im Stil eines Gutachtens argumentiert.

Perspektive des Nutzers: Nicht doch!

Hier eine weitere zielorientierte Formulierung:

„Die dargestellte Diskussion zeigt vor allem […] dass es falsch ist, bei der Beurteilung dessen, welche Zugriffe für die Durchführung des Telemediendienstes erforderlich sind, ausschließlich auf die Perspektive des Nutzers abzustellen. Wäre letzteres richtig, könnten nicht einmal Cookies zur Abrechnung eines kostenpflichtigen Dienstes einwilligungsfrei gesetzt werden. Zu diesem Ergebnis dürften jedoch auch die Aufsichtsbehörden kaum kommen wollen.“ (RN 148)

Auch auffällig ist, dass Schwartmann meist besonders umtriebig nach den Belegen sucht, die seine Perspektive stützen, aber kaum die andere Seite wahrnimmt. So erwähnt er ausführlich die drei europäischen Behörden, die eine weite Auslegungspraxis der ePrivacy-Gesetze erlauben, aber lässt unrecherchiert, dass neben den DSK-Behörden mindestens 12 ausländische EU-Behörden einer wortgetreuen Auslegung folgen. Diesen Mythos eines deutschen Sonderwegs, der durch solche Lobbyarbeit verbreitet wurde, bemängelt dann auch die DSK in ihrer Konsultation.

Wenn man sich im politischen und juristischen Umfeld von Schwartmann umhört, dann ist das alles keine Neuigkeit: Man wisse, dass man bei Schwartmann mit einem Fürsprecher der Medienindustrie zu tun habe, das sagte mir fast jede Person, mit der ich gesprochen habe. Rolf Schwartmann versicherte auf Rückfrage allerdings, dass die Forschungsstelle keinerlei Zuwendungen aus der Wirtschaft, insbesondere nicht von der netID Foundation oder der GDD erhalte.

Auch aus dem Studierenden-Umfeld an seinem Institut ist zu hören, dass bekannt war, dass Schwartmann immer mit der Wirtschaft zu tun hatte. Die viele Prominenz von RTL, Dumont und WDR im Studiengang sei aufgefallen. Personen aus diesem Umfeld tauchen auch wieder im Beirat des Instituts auf. Im Jahresbericht ist die Arbeit für die GDD unter »wissenschaftlicher Aktivität« aufgeführt. Ob seine einseitige Perspektive auch in seinem Institut in die Ausbildung einfloss, wisse man nicht, sagte eine Person aus dem Studierendenbereich des Instituts, weil der Professor am Institut mit Ausnahme von ein paar Einführungsterminen nicht sehr präsent gewesen sei.

3. Der Lobbyprofessor Schwartmann in Zeitung, Funk und Fernsehen

DuMont-Haus Köln

DuMont-Haus Köln. Bildquelle: Stefan Flöper
CC-BY-SA-4.0 & CC-BY-SA-3.0 & GDFL 1.2+,

Dafür ist Rolf Schwartmann publizistisch so umtriebig, dass man ihn fast mit einem Journalisten verwechseln könnte. Für den Kölner Express (Dumont-Verlag) und die United-Internet-Portale GMX und web.de erklärte er in den letzten zwei Jahren in über 60 Kolumnen den Datenschutz in einfachen Worten. Neutrale Gastbeiträge als Wissenschaftler wären natürlich grundsätzlich ehrenwert. Aber wenn unter dem Deckmantel der Wissenschaft eine einseitige Lobbyperspektive so große Verbreitung finden kann, weil sie möglicherweise direkt vom Verlag oder der Geschäftsführung an der Redaktion vorbei initiiert wurde, dann wäre das auch ein Bruch mit der journalistischen Ethik. Rolf Schwartmann konnte auf Rückfrage nicht erklären, wie die Kontakte für die vielen Kolumnen zustande kamen. Zumindest für einen Teil der Beiträge erhält er auch ein Honorar, wobei er nicht beantworten konnte, für welche.

Können Autos ohne PIMS noch bremsen?

Tatsächlich zeigt sich eine tendenziöse Einflussnahme in den Texten der letzten Jahre vor allem bei Übereinstimmungen mit den Zielen der netID-Stiftung: Die hat ein besonders großes Interesse daran, dass die zentralen PIMS mögliche Einzeleinwilligungen übertrumpfen. Davon sind aber nicht nur die großen fünf Plattformen aus den USA, sondern auch alle Werbeanbieter ohne Logins nicht so begeistert, vor allem der Verband der Werbewirtschaft ZAW und der Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW. Beide Seiten versuchten ebenfalls, die Politik auf ihre Seite zu ziehen, jeweils natürlich auch mit arg geheuchelten Datenschutz-Lobliedern – keine Überraschung. Aber mittendrin wieder der Lobbyprofessor, der jetzt in allen seinen Medien für die PIMS mit Login trommeln darf. Da wird dann schon mal behauptet, personalisierte Werbung sei von vielen erwünscht (Fakt ist: es ist eine Minderheit, diese Studie spricht von etwa 11%). In anderen Texten wird dann die Dringlichkeit von PIMS am Beispiel vernetzter Toaster geschildert. Ohne mit einem Wort zu erklären, warum eine Firma einen technisch nicht notwendigen Datenzugriff auf einen Toaster braucht, was ja durchaus die eigentliche Frage der Öffentlichkeit sein könnte. Oder Schwartmann gibt zu bedenken, dass in einem vernetzten Auto ohne PIMS kein Zugriff auf die Bremse möglich sei. Die Jahresberichte des Instituts von 2020 und 2021 listen noch zahlreiche weitere Beiträge auf, darunter für die F.A.Z., den Kölner Stadtanzeiger, Welt, Handelsblatt, Tagesspiegel und einen eigenen Podcast.

Das Problem aus Gesetzgebung und -auslegung wiederholt sich ein drittes Mal im Journalismus: Die redaktionelle Kontrolle, die eigentlich Wirtschaftsinteressen von Lobbyorganisationen als solche kennzeichnen sollte, wird durch die nach außen vermittelte Rolle des neutralen Professors, der von unbekannter Stelle zu einem Gastbeitrag eingeladen wird, umgangen. Die notwendige Diskussion, wie man das Problem nerviger Unternehmen mit ihren Cookie-Bannern lösen kann, verkommt damit zur Lobbyschlacht zwischen Wirtschaftsverbänden und Unternehmen, bei der man Mühe hat, eine neutrale Position zu finden. Verbraucher sind in dieser wichtigen Debatte dann fast nicht mehr repräsentiert.

Fazit

Das Lobbyinstitut von Rolf Schwartmann ist kein Einzelfall. Die NGO »Finanzwende Recherche« hat letztes Jahr eine Studie zu Lobbyismus in Justiz und Rechtswissenschaft veröffentlicht. Auch darin wurden bereits Vorwürfe gegen die gleiche Fakultät der TH Köln laut. Bei der »Forschungsstelle Versicherungsrecht« gab es laut Studie ganz ähnliche Verflechtungen mit der Wirtschaft, die sich in wirtschaftsfreundlichen Rechtskommentaren widerspiegelten.

Es hilft dabei nicht, dass der Professor immer wieder auch seine Mitgliedschaft bei der GDD oder der netID-Foundation offenlegt. Diese Doppelnennung in Gutachten oder unter Pressebeiträgen bezeugen vor allem, dass die Rollentrennung eigentlich schon aufgegeben wurde. Auch auf mehrmalige Rückfragen war Rolf Schwartmann nicht in der Lage darzulegen, welche der zahlreichen Beiträge in den Jahresberichten des Instituts von ihm als Wissenschaftler und welche als Privatperson veröffentlicht wurden. So lässt sich die Rolle eines neutralen Professors nicht mehr von Lobbyarbeit oder Privatmeinung trennen.
Es bleibt am Ende offen, ob Rolf Schwartmann die privaten Beiträge aus finanziellen Gründen schreibt, ob er mit seiner eigenen Meinung, zu der er jedes Recht hat, zum Werkzeug geschickter Verbände geworden ist oder ob er mit guten Absichten bestimmte Akteure wie Dumont oder United Internet stärken möchte, die gegen die Übermacht von Google oder gegen noch größere Verlage Schwierigkeiten haben.

Für alle Menschen, die von Wissenschaft, Medien und dem Rechtssystem noch Neutralität erwarten, ist es eine Enttäuschung, solche einseitigen Verbandsperspektiven vorgesetzt zu bekommen. Und auch vom politischen Betrieb würde man erwarten, dass Einflussmöglichkeiten bei der Gesetzgebung nicht so extrem unfair umgeschichtet werden wie in der Debatte um das TTDSG und die Einwilligungsmanager.

Erschreckend an dem Fall ist aber, wie unverhohlen offenbar der ganze Betrieb schon geworden ist. Bereits bei der Institutsgründung deutete Schwartmann gegenüber der »Kölnischen Rundschau« an, was die eigentliche Aufgabe des Instituts sein wird:

Der Hochschulstandort Köln und die hier ansässigen Medienunternehmen verlangten nach einer Plattform, auf der sich Wissenschaft und Praxis treffen. (…) Wir gründen einen nicht-öffentlichen Arbeitskreis zu Medienrecht und -wirtschaft unter meiner Leitung (…) und suchen den Austausch mit der Politik.

Dass das Institut dann wirklich systematisch die Gesetzgebung, Gesetzesauslegung und die öffentliche Debatte für wenige Medienhäuser und die Urheberrechtsindustrie beeinflusst, hätte man damals wohl nicht in diesem Maße erwartet. Egal wie normal das manchen als Drittmittelstrategie unterfinanzierter Institute erscheinen mag oder als regionale Unternehmensförderung einer Universität gegen ein übermächtiges Google: Für Demokratie und Wissenschaft sind und bleiben solche Vorgänge ein unethisches, intransparentes und missbräuchliches Fehlverhalten.

Gleich drei wichtige Systeme haben rund um das TTDSG mal wieder ihre Anfälligkeit demonstriert: Journalismus, Politik und Wissenschaft. Wie man sieht, verhindert man Lobbyeinfluss nicht allein mit Transparenz, sondern es braucht auch strengere ethische Richtlinien für Wissenschaftler. Die TH Köln hat offenbar ein Lobbyproblem und sollte die Aktivitäten in der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften einer Prüfung unterziehen. Auf unsere Anfrage hat man allerdings nicht geantwortet.

Für die mangelhafte Trennung von Wissenschaft und Lobbyarbeit muss sich auch Rolf Schwartmann verantworten. Meine Anschuldigungen wies er allerdings entschieden zurück. Die »persönlichen Bewertungen« seiner Person und die Vorwürfe stützten sich auf falsche Tatsachen und Annahmen.

Bildquellen:

Stop: Freepik from www.flaticon.com is licensed by CC 3.0 BY

Über den Autor | Eberl

Matthias Eberl

Matthias Eberl ist freiberuflicher Multimedia-Journalist und schreibt außerdem für verschiedene Publikationen über Datenschutz-Themen. Für Journalisten gibt er auch Kurse im Bereich Informantenschutz. Er ist als Datenschutzbeauftragter von der IHK zertifiziert.

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