Homeschooling: Die digitale Inkompetenz der Kultusminister

Seit knapp einem Jahr kämpfen wir nun mit der Corona-Pandemie. Und dennoch: Homeschooling will einfach nicht gelingen. Schüler, Eltern und Lehrer verzweifeln, weil die Kultusminister der Länder digitale Kompetenz und Weitblick vermissen lassen. Anstatt die IT-Infrastruktur fit für ein datenschutzfreundliches Homeschooling mit BigBlueButton zu machen, klammerte man sich stur an das Mantra, dass Präsenzunterricht durch nichts ersetzbar sei. Das mag ja unter normalen Bedingungen richtig sein, aber wir befinden uns in einer Ausnahmesituation – und das nicht erst seit gestern.

Man hat es schlichtweg versäumt in eine ordentliche Infrastruktur zu investieren, die in der Lage wäre, Schülern und Lehrern ein »schmerzbefreites« Homeschooling zu ermöglichen. Bild- und Tonaussetzer bzw. eine nicht funktionierende Infrastruktur sind an der Tagesordnung. Die Not ist groß. Der schwarze Peter wird hin- und hergeschoben und jegliche Verantwortung an der Misere von sich gewiesen. Nun flüchten sich die Verantwortlichen in Microsoft Teams, Zoom und Co. – also alles Anbieter, deren Einsatz unter Datenschutzexperten höchst umstritten ist. Gerechtfertigt wird dieser Schritt, weil die selbst gehostete Infrastruktur »nicht ausreicht« bzw. »ständig ausfällt«. Ja, natürlich geht der selbst gehosteten IT-Infrastruktur die Puste aus, wenn man sie kaputt spart bzw. zu wenig investiert. Wenn ich Schuhgröße 42 habe und mich dann in einen Schuh der Größe 37 zwänge, tut es halt weh.

Obwohl das Problem hausgemacht ist, hat man den »Schuldigen« schon ausgemacht: Den Datenschutz. Ja, wir brauchen JETZT eine funktionierende IT-Infrastruktur für das Homeschooling, aber es kann nicht sein, dass Schüler und Lehrer nun dafür ihre Privatsphäre bei Zoom, Teams und Co. opfern müssen. Die Kultusminister der Länder hatten genügend Zeit in einen Plan B zu investieren, um die IT-Infrastruktur entsprechend auszubauen, die ein datenschutzfreundliches Homeschooling in der aktuellen Lage ermöglicht hätte. Man hat es aber nicht gemacht, sondern zu lange gewartet bzw. schlichtweg versäumt. Jetzt dem Datenschutz die Schuld zu geben ist lediglich ein Akt der Verzweiflung.

Besser als an diesem Beispiel lässt sich die digitale Inkompetenz und Kurzsichtigkeit der Kultusminister nicht demonstrieren. Deutschland hätte das Geld und die Ressourcen es besser zu machen. Stattdessen wird die Infrastruktur mit Anlauf an die Wand gefahren und erboste Eltern beschweren sich über BigBlueButton, Moodle und Co. – obwohl nicht die Tools, sondern eine nicht funktionierende Infrastruktur die Ursache des Problems ist. Eine Infrastruktur, die für 10.000 Schüler ausgelegt ist, kann halt eben nicht plötzlich für 100.000 Schüler funktionieren.

Übrigens: Dass BigBlueButton in Baden-Württemberg zur Verfügung steht haben wir einem kleinen Team des Zentrums für Schulqualtität und Lehrerbildung (ZSL) zu verdanken. Das handelt zwar im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport (KM) – aber die Kompetenz für das Hosting liegt beim ZSL. Und auch dort gilt: Hätte das KM früher in den Ausbau der BigBlueButton-Infrastruktur investiert, hätten man allen

  • Schulen eine einheitliche, datenschutzfreundliche Lösung anbieten / bereitstellen können (Wildwuchs vermeiden)
  • und nicht mit Ausfällen und Performanceproblemen zu kämpfen.

Immerhin wird wohl jetzt investiert bzw. weiter ausgebaut. Leider auch hier viel zu spät.

Update 15.01.2020:

Im September 2020 wurden im Zuge des Schulgipfels 800.000 Laptops für Lehrer versprochen. Und wie sieht es damit aus?

…. es konnten noch keine Mittel ausgezahlt werden, weil die entsprechende Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über das 500-Millionen-Paket noch nicht von allen Bundesländern unterzeichnet worden und damit noch nicht in Kraft sei.

Quelle: Laptop-Millionen werden nicht abgerufen

Das Versagen kennt offenbar keine Grenzen.

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