TTDSG: Stellungnahme der ARD bezüglich Apps liegt vor

Im Dezember 2021 hatte ich diverse Apps des öffentlichen Rundfunks (ARD, ZDF) auf ihr Datensendeverhalten überprüft:

Mein Fazit von damals kurz zusammengefasst:

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu: Die Verantwortlichen waren die letzten Monate offenbar im Tiefschlaf und haben sich nicht mit dem TTDSG beschäftigt. Anders lässt sich nicht erklären, weshalb alle Apps gegen § 25 TTDSG verstoßen.

Nach der Analyse habe ich sowohl ARD und ZDF um eine Stellungnahme gebeten. Diese der ARD liegt nun vor (13.01.2022, 14:39 Uhr):

Sehr geehrter Herr Kuketz,

ich nehme Bezug auf meine E-Mail vom 21.12.2021. Sie hatten sich mit E-Mail vom 16. Dezember 2021 u. a. an die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde über den Norddeutschen Rundfunk gemäß § 46 NDR Staatsvertrag gewandt. Danach ernennt der NDR Rundfunkrat eine Beauftragte oder einen Beauftragten für den Datenschutz beim NDR (Rundfunkdatenschutzbeauftragte/n), die oder der zuständige Aufsichtsbehörde im Sinne des Artikels 51 der Verordnung (EU) 2016/679 ist.

§ 46 NDR Staatsvertrag regelt die Aufgaben und Befugnisse der oder des Rundfunkdatenschutzbeauftragten. In dieser Regelung heißt es u. a.:

Die oder der Rundfunkdatenschutzbeauftragte überwacht die Einhaltung der Datenschutzvorschriften dieses Staatsvertrages, des Rundfunkstaatsvertrages, der Verordnung (EU) 2016/679 und anderer Vorschriften über den Datenschutz bei der gesamten Tätigkeit des NDR und seiner Beteiligungsunternehmen. Sie oder er hat die Aufgaben und Befugnisse entsprechend der Artikel 57 und 58 Abs. 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2016/679. Bei der Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsbehörden hat sie oder er, soweit die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken betroffen ist, den Informantenschutz zu wahren. Sie oder er kann gegenüber dem NDR keine Geldbußen verhängen.

Stellt die oder der Rundfunkdatenschutzbeauftragte Verstöße gegen Vorschriften über den Datenschutz oder sonstige Mängel bei der Verarbeitung personenbezogener Daten fest, so beanstandet sie oder er dies gegenüber der Intendantin oder dem Intendanten und fordert sie oder ihn zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist auf. Gleichzeitig unterrichtet sie oder er den Verwaltungsrat. Von einer Beanstandung und Unterrichtung kann abgesehen werden, wenn es sich um unerhebliche Mängel handelt, oder wenn ihre unverzügliche Behebung sichergestellt ist.

In dem von Ihnen übersandten Blog-Beitrag (https://www.kuketz-blog.de/ard-zdf-apps-unter-der-lupe-tracking-und-verstoesse-gegen-das-ttdsg/) finden sich Ausführungen zur ARD Mediathek, Tagesschau und ZDFheute. Geprüft habe ich zuständigkeitshalber Ihre Ausführungen zu tagesschau.de, nicht aber zu den anderen genannten Telemedienangeboten.

Sie kommen zu dem Ergebnis, dass tagesschau.de gegen das TTDSG verstoße. Dies deshalb, weil

1. kein Cookie- bzw. Consent-Banner eingesetzt werde,
2. ein Zugriff auf Informationen, die in den Endeinrichtungen der Nutzenden gespeichert sind, ohne vorige Einwilligungen erfolge,
3. das Nutzungsverhalten von unterschiedlichen Anbietern verfolgt werde und
4. in der Datenschutzerklärung die Nutzenden nicht hinreichend aufgeklärt werden, welche Informationen an die Tracking-Anbieter übermittelt werden.

Ein Verstoß gegen die DSGVO und das TTDSG ist aus folgenden Gründen nicht erkennbar:

Wie im Hörfunk und Fernsehen auch, möchte der Verantwortliche auch die Nutzung des Telemedienangebots tagesschau.de statistisch erheben. Hierbei bleiben die Nutzenden anonym. Grund der Erhebung dieser statistischen Daten ist, dass das Telemedienangebot tagesschau.de angeboten wird, um den verfassungsrechtlichen Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf (und muss) der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein von den Beitragszahlern finanziertes Angebot im gesellschaftlichen Interesse auf allen publizistisch relevanten Plattformen zugänglich machen. Ob, wo und wie er damit seinen publizistischen Auftrag erfüllt, hängt von der Konfiguration dieses Angebots ab. Die Rundfunkanstalten sind dazu auf Erkenntnisse zur Akzeptanz und Nutzung ihres Angebots angewiesen. Dies gilt allerdings ausschließlich für anonymisierte Auswertungen, wie sie auch im Hörfunk und Fernsehen üblich sind. Vergleichbar statistisch belastbare Methoden wie etwa die Messung der Zuschauerquote (Fernsehen) oder die MediaAnalyse (Hörfunk) stehen dafür im Online-Bereich jedoch bislang nicht zur Verfügung. Die Rundfunkanstalten haben daher im Rahmen ihres verfassungsrechtlichen Funktionsauftrags ein berechtigtes Interesse am Einsatz von Cookies (oder vergleichbaren Messmethoden), die diese Aufgabe für ihr Telemedienangebot übernehmen. Sie verfolgen damit kein (markt-)wirtschaftliches, sondern ein ausschließlich publizistisches Ziel.

Für ein Einschreiten als datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde gegen die Nutzungsmessungen auf der Grundlage der DSGVO sehe ich keine Anhaltspunkte. Rechtlich stellt sich die Lage wie folgt dar: Für die Rundfunkanstalten ist die anonymisierte Nutzungsmessung erforderlich, damit sie die ihnen durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG übertragene Aufgabe optimal wahrnehmen können, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO. Auch nach Maßgabe einer Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO ist die Nutzungsmessung zulässig. Nach dem Urteil des EuGH vom 1.10.2019 kann das allgemeine Interesse des Verantwortlichen an einer Erfassung und Auswertung des Nutzungsverhaltens zwar nicht per se als „berechtigtes Interesse“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO qualifiziert werden. Im Falle einer ausschließlich publizistisch motivierten anonymisierten Nutzungsmessung überwiegt jedoch das Interesse der Rundfunkanstalt (und der Gesamtheit ihres Publikums) ein etwa entgegenstehendes individuelles Interesse, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO.

Die beauftragten Dienstleister, wie etwa INFOnline, kürzen und anonymisieren die IP-Adressen zum frühestmöglichen Zeitpunkt unmittelbar nach Erfassung und vor weiteren Verarbeitungsvorgängen. Die Auswertungen zur Nutzungsmessung stützen sich ausschließlich auf statistische, also nicht personenbezogene oder -beziehbare Daten. Auch wenn es sich um eine publizistische Nutzungsmessung handelt und die Daten nicht an Dritte zu kommerziellen Zwecken weitergegeben werden, hat sich der Verantwortliche dazu entschlossen, die Nutzungsmessungen deaktivierbar zu gestalten, was aus datenschutzrechtlicher Sicht zu begrüßen ist.

Am 1. Dezember 2021 ist das „Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien“ (TTDSG, BGBl I S. 1982) in Kraft treten. Das Gesetz enthält u. a. besondere Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bei der Nutzung von Telekommunikationsdiensten und Telemedien und zum Schutz der Privatsphäre bei Endeinrichtungen hinsichtlich der Anforderungen an die Speicherung von Informationen in Endeinrichtungen der Endnutzer und den Zugriff auf Informationen, die bereits in Endeinrichtungen der Endnutzer gespeichert sind. Einschlägig hier ist § 25 Abs. 1 TTDSG. Nach dieser Vorschrift ist die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, nur zulässig, wenn der Endnutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat. Die Information des Endnutzers und die Einwilligung müssen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 TTDSG den Vorgaben der DSGVO entsprechen. Nach Absatz 2 ist die Einholung einer Einwilligung entbehrlich, „wenn die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf bereits in der Endeinrichtung des Endnutzers gespeicherte Informationen unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Telemediendienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen kann“.

Bei der Nutzung von tagesschau.de werden vom Verantwortlichen für den Zweck der Nutzungsmessung auf Informationen ohne Personenbezug im Endgerät der Nutzenden zugegriffen. Dies ist nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 TTDSG zulässig. Danach bedarf eine entsprechende Datenverarbeitung zum Schutz der Privatsphäre der Einwilligung der Nutzenden, es sei denn, es liegt einer der in Abs. 2 Nr. 1 oder 2 TTDSG geregelten Ausnahmefälle vor.

Es spricht zunächst Überwiegendes dafür, dass das Erfordernis der Einholung einer Einwilligung schon deshalb nicht gegeben ist, weil die Datenverarbeitung nur zu journalistischen Zwecken durchführt wird. Dies insbesondere deshalb, weil davon auszugehen ist, dass „Rundfunk- und Presseunternehmen sowie deren Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken von den … Regelungen … (des) TTDSG nicht erfasst werden, wie dies auch schon unter Geltung der Vorgängerregelungen im TKG und TMG der Fall war“ (Stellungnahme des Bundesrates vom 26.3.2021 (Nr. 11)). Grund dafür ist das Medienprivileg, welches das durch Art. 11 Abs. 2 GRCh auf europäischer und durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auf nationaler Ebene geschützte Interesse an einer freien und ungehinderten Medienberichterstattung (auch im Bereich der Telemedien) wahren soll.

Aber auch nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 TTDSG ist es dem Verantwortlichen möglich, die ausschließlich anonymisierte Nutzungsmessung zu publizistischen Zwecken durchzuführen, ohne eine Einwilligung einzuholen. Denn die entsprechende Datenverarbeitung dient dem bereits erläuterten rechtmäßigen Zweck der Erfüllung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Positionierung im publizistischen Wettbewerb mit anderen redaktionellen Telemedien. Diese ist auch „unbedingt erforderlich“ im Sinne des Gesetzes, um „einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst“ zur Verfügung zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Rundfunk „Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung“. Wie die Angebote angenommen und rezipiert werden, muss daher ermittelt werden. Der Einfluss der für den publizistischen Erfolg und die Relevanz redaktioneller Angebote sind bedingt durch unterschiedliche Faktoren der Konfiguration, Gestaltung, Platzierung und Formulierung der einzelnen Inhalte eines Gesamtangebots, die je für sich erfasst und ausgewertet werden müssen. Wäre für diese notwendige Auswertung der Daten das Einholen von Einwilligungen erforderlich, bestünde das erhebliche Risiko des Wegfalls einer validen, aussagekräftigen Datenlage zur Nutzungsmessung. Zusammenfassend gilt also für die Nutzungsmessung auch nach Maßgabe des TTDSG, dass diese ausschließlich im publizistischen Interesse vorgenommen wird und erforderlich entsprechend § 25 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG ist. Die Nutzungsmessung dient der Auftragserfüllung des beitragsfinanzierten öffentlichen Rundfunks, weil damit im Rahmen des publizistischen Wettbewerbs ein konkurrenzfähiges Angebot zur Verfügung gestellt wird. Dafür werden die Daten zur Wirkung, Reichweite und Akzeptanz der einzelnen Inhalte benötigt. Der Verantwortliche kann daher Verfahren zur Nutzungsmessung seines Telemedienangebots auch nach Maßgabe des § 25 TTDSG ohne Einwilligung der Nutzenden einsetzen.

Die Erhebung technischer Informationen, wie etwa Gerätehersteller und Provider, wird vorgenommen, um technische Fehler zu analysieren und die Stabilität des Angebots zu gewährleisten. Da einige technische Probleme nur bei bestimmten Gerätetypen und/oder bestimmten Displaygrößen auftreten oder nur einem Provider zuzuordnen sind, werden die Daten zur Sicherheit und Fehlerbehebung verarbeitet. Rechtsgrundlage dafür ist Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO. Auch nach Maßgabe des TTDSG besteht kein Erfordernis der Einholung von Einwilligungen, denn das Telemedienangebot soll im Interesse der Nutzenden sicher, schnell und stabil zur Verfügung gestellt werden. Solche flankierenden Komponenten zum fehlerfreien und sicheren Aufruf des Angebots unterfallen § 25 Abs. 2 TTDSG und können daher ohne Einwilligung vorgenommen werden.

Insgesamt sind aufgrund der vorstehenden Ausführungen Verstöße gegen Vorschriften über den Datenschutz oder sonstige Mängel bei der Verarbeitung personenbezogener Daten nicht zu erkennen, weshalb keine Grundlage für ein aufsichtsrechtliches Vorgehen gegen den Verantwortlichen besteht.

Mit freundlichen Grüßen

XY

Wie auch schon beim ZDF ist die Stellungnahme umfangreich und keine Standardantwort – die ARD hat sich also Mühe gemacht, ausführlich zu antworten. Auf ein paar Punkte der Stellungnahme möchte ich nachfolgend eingehen:

Bei der Nutzung von tagesschau.de werden vom Verantwortlichen für den Zweck der Nutzungsmessung auf Informationen ohne Personenbezug im Endgerät der Nutzenden zugegriffen. Dies ist nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 TTDSG zulässig. Danach bedarf eine entsprechende Datenverarbeitung zum Schutz der Privatsphäre der Einwilligung der Nutzenden, es sei denn, es liegt einer der in Abs. 2 Nr. 1 oder 2 TTDSG geregelten Ausnahmefälle vor.

Der Personenbezug spielt beim TTDSG überhaupt keine Rolle. Anbei ein Zitat aus der Orientierungshilfe (OH Telemedien 2021) der DSK von Seite 9:

Im Unterschied zu den datenschutzrechtlichen Vorschriften begründet § 25 Abs. 1 TTDSG ein Einwilligungserfordernis für das Speichern und/oder Auslesen von Informationen auf bzw. aus einem Endgerät unabhängig von einem Personenbezug der Informationen. Damit wird bereits durch den Wortlaut der Vorschrift deutlich gemacht, dass sie über den Anwendungsbereich der DS-GVO hinausgeht.

Für den Einsatz von Cookies/Zugriff auf Informationen auf dem Endgerät bedeutet dies, dass das Einwilligungserfordernis nach § 25 TTDSG unabhängig davon greift, ob personenbezogene Daten, bspw. in Form einer eindeutigen Identifizierungsnummer, gespeichert sind oder auf diese zugegriffen werden soll.

Weiter schreibt die ARD:

Es spricht zunächst Überwiegendes dafür, dass das Erfordernis der Einholung einer Einwilligung schon deshalb nicht gegeben ist, weil die Datenverarbeitung nur zu journalistischen Zwecken durchführt wird. Dies insbesondere deshalb, weil davon auszugehen ist, dass „Rundfunk- und Presseunternehmen sowie deren Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken von den … Regelungen … (des) TTDSG nicht erfasst werden, wie dies auch schon unter Geltung der Vorgängerregelungen im TKG und TMG der Fall war“ (Stellungnahme des Bundesrates vom 26.3.2021 (Nr. 11)). Grund dafür ist das Medienprivileg, welches das durch Art. 11 Abs. 2 GRCh auf europäischer und durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auf nationaler Ebene geschützte Interesse an einer freien und ungehinderten Medienberichterstattung (auch im Bereich der Telemedien) wahren soll.

Da müssen wir zunächst die Hintergründe klären. Gemäß § 2 TTDSG sind folgende Gesetze/Verordnungen weiterhin gültig:

Es sei denn, in Absatz 2 § 2 TTDSG werden abweichende Bestimmungen getroffen. Unter § 2 TTDSG heißt es dann:

Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind

„Anbieter von Telemedien“ jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien erbringt, an der Erbringung mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung von eigenen oder fremden Telemedien vermittelt,

Ich kann hierbei keine Ausnahme erkennen, weshalb die ARD hier nicht vom TTDSG betroffen sein sollte. Adressaten des TTDSG sind neben den Anbietern von Telekommunikationsdiensten vor allem Anbieter von Telemediendiensten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 TTDSG. Hierunter fällt jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien erbringt, an der Erbringung mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung von eigenen oder fremden Telemedien vermittelt. Eine Ausnahme findet sich noch unter Ziffer 4:

„Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen Telekommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; davon ausgenommen sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein öffentliches Telekommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können,

Unter Rundfunk fallen Hörfunk und Radio, nicht aber Telemedien wie Apps und Webseiten.

Weiterhin sollten wir uns die Stellungnahme bzw. das Zitat des Bundesrates vom 26.3.2021 (Nr. 11) auf Seite 25 nochmal vollständig anschauen:

Der Bundesrat geht davon aus, dass Rundfunk- und Presseunternehmen sowie deren Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken von den vorgeschlagenen Regelungen für ein TTDSG nicht erfasst werden, wie dies auch schon unter Geltung der Vorgängerregelungen im TKG und TMG der Fall war. Da jedoch weder der Regelungstext noch die Begründung des TTDSG-E einen entsprechenden Hinweis auf die besonderen Vorschriften im Medienbereich enthalten, würde der Bundesrat eine Klarstellung begrüßen, dass diese auch weiterhin von den Vorgaben des TTDSG unberührt bleiben.

Die ARD »geht also davon aus«, dass Rundfunk- und Presseunternehmen sowie deren Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken vom TTDSG nicht erfasst werden. Dies kann ich in § 2 TTDSG nicht erkennen. Auch das Zitat des Bundesrates gibt da keinen weiteren Aufschluss. Insgesamt bleibt diesbezüglich eine Rechtsunsicherheit – hier hätte der Gesetzgeber gerne präziser formulieren dürfen. In diesem Zusammenhang wäre auch zu klären, was ein »journalistischer Zweck« überhaupt bedeutet und ob eine Datenverarbeitung wie Nutzer-Tracking davon tatsächlich berührt ist. Ich bezweifle es.

Weiter schreibt die ARD:

Aber auch nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 TTDSG ist es dem Verantwortlichen möglich, die ausschließlich anonymisierte Nutzungsmessung zu publizistischen Zwecken durchzuführen, ohne eine Einwilligung einzuholen. Denn die entsprechende Datenverarbeitung dient dem bereits erläuterten rechtmäßigen Zweck der Erfüllung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Positionierung im publizistischen Wettbewerb mit anderen redaktionellen Telemedien. Diese ist auch „unbedingt erforderlich“ im Sinne des Gesetzes, um „einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst“ zur Verfügung zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Rundfunk „Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung“. Wie die Angebote angenommen und rezipiert werden, muss daher ermittelt werden. Der Einfluss der für den publizistischen Erfolg und die Relevanz redaktioneller Angebote sind bedingt durch unterschiedliche Faktoren der Konfiguration, Gestaltung, Platzierung und Formulierung der einzelnen Inhalte eines Gesamtangebots, die je für sich erfasst und ausgewertet werden müssen. Wäre für diese notwendige Auswertung der Daten das Einholen von Einwilligungen erforderlich, bestünde das erhebliche Risiko des Wegfalls einer validen, aussagekräftigen Datenlage zur Nutzungsmessung. Zusammenfassend gilt also für die Nutzungsmessung auch nach Maßgabe des TTDSG, dass diese ausschließlich im publizistischen Interesse vorgenommen wird und erforderlich entsprechend § 25 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG ist.

Ich wiederhole mich: Ob eine Nutzungsmessung anonym, pseudonym oder mit personenbezogenen Daten erfolgt, spielt aus Sicht des TTDSG keine Rolle. Entscheidend ist, ob auf dem Endgerät eine Speicherung von Informationen erfolgt (bspw. Cookies) oder eine Information aus dem Endgerät ausgelesen wird. Beides ist nach § 25 TTDSG einwilligungsbedürftig, sofern nicht unbedingt »technisch erforderlich«.

Weiterhin stellt sich auch die ARD auf den Standpunkt, dass die Nutzungsmessungen »unbedingt erforderlich« sind und daher nach § 25 TTDSG nicht einwilligungsbedürftig sind. In ihrer Orientierungshilfe (OH Telemedien 2021) schreibt die DSK zum Thema Erforderlichkeit auf Seite 25:

Das Merkmal „unbedingt erforderlich“ wird weder im TTDSG noch in der ePrivacy-RL näher definiert. In der Gesetzesbegründung zum TTDSG wird jedoch von einer technischen Erforderlichkeit ausgegangen, was ein strenges Verständnis nahelegt. Dies bedeutet, dass auch für von Endnutzer:innen ausdrücklich gewünschte Dienste nur solche Zugriffe auf die Endeinrichtung von der Ausnahme umfasst sind, die technisch erforderlich sind, um gerade den gewünschten Dienst bereitzustellen. Denn das Kriterium der Erforderlichkeit im Sinne der Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf die Funktionalität des Telemediendienstes als solchen. Eine Ausnahme von der Einwilligungsbedürftigkeit kann daher nicht dadurch begründet werden, dass das Speichern von oder der Zugriff auf Informationen im Endgerät wirtschaftlich für das Geschäftsmodell erforderlich ist, in das der Telemediendienst eingebunden ist.

Die DSK macht in ihrer Orientierungshilfe deutlich, dass es sich um eine technische Erforderlichkeit handeln muss, um den gewünschten Dienst bereitzustellen. Diese technische Erforderlichkeit ist bei Nutzungsmessungen nicht gegeben. Für die technische Funktionserbringung bzw. die App-Nutzung sind diese (aus Nutzerperspektive) schlichtweg nicht erforderlich. Die ARD begründet die Nutzungsmessungen mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – das kann man machen, spielt in diesem Zusammenhang allerdings keine Rolle. Denn beim TTDSG spielt einzig und allein die technische Erforderlichkeit eine Rolle. Oder anders formuliert: Die Website/App-Nutzung ist auch dann noch möglich, wenn alle Nutzungsmessungen/Tracker verschwinden. Insgesamt ist die Nutzungsmessungen kein Dienst, die der Nutzer fordert und/oder erwartet.

Und auch der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz sagt in seiner Orientierungshilfe zum TTDSG auf Seite 23:

Cookies, die dem → Tracking zu Marketingzwecken dienen, sind generell als nicht technisch erforderlich anzusehen. Das Gleiche gilt auch für die eingebundenen → Drittdienste beziehungsweise Drittinhalte, welche → Third-Party-Cookies oder andere ähnliche Technologien verwenden. Sie stehen gewöhnlich mit einem Dienst im Zusammenhang, der sich von dem seitens der Nutzerin oder des Nutzers ausdrücklich gewünschten Dienst unterscheidet.

  • Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist auf die Sichtweise der Nutzerin oder des Nutzers abzustellen, nicht auf die der Telemedienanbieterin oder des Telemedienanbieters. Daher sind auch Cookies, die der statistischen Auswertung oder der Webseitenanalyse dienen – selbst wenn sie für die Verbesserung der Webseitenangebote nützlich sein können – als nicht erforderlich anzusehen. Denn sie wirken sich nicht (unmittelbar) auf die Funktionali-tät des durch die Nutzerin oder den Nutzer gewünschten Telemediendienstes aus.
  • Die wirtschaftliche Erforderlichkeit von Cookies (häufig bei nichtöffentlichen Stellen: statistische Datenerhebung zur Abrechnung von Provisionen gegenüber Werbetreibenden) vermag die technische Erforderlichkeit des § 25 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG nicht zu begründen.

Weiter schreibt die ARD:

Die Nutzungsmessung dient der Auftragserfüllung des beitragsfinanzierten öffentlichen Rundfunks, weil damit im Rahmen des publizistischen Wettbewerbs ein konkurrenzfähiges Angebot zur Verfügung gestellt wird. Dafür werden die Daten zur Wirkung, Reichweite und Akzeptanz der einzelnen Inhalte benötigt. Der Verantwortliche kann daher Verfahren zur Nutzungsmessung seines Telemedienangebots auch nach Maßgabe des § 25 TTDSG ohne Einwilligung der Nutzenden einsetzen.

Nach § 25 TTDSG ist entscheidend, ob die Nutzungsmessung technisch erforderlich ist, um den Dienst zu erbringen. Das können wir mit einem klaren Nein beantworten. Die Website/App-Nutzung ist auch dann noch möglich, wenn alle Nutzungsmessungen/Tracker abgeschaltet werden.

Die Fragen, die sich die ARD nun stellen sollte, sind:

  • Erforderlichkeit Nutzungsmessung: Wie viele Anbieter zur Nutzungsmessung sind tatsächlich erforderlich, um § 30 Abs. 3 MStV zu erfüllen? Sind diese überhaupt erforderlich bzw. würde es nicht ausreichen eine Reichweitenmessung mit einem Tool wie Matomo durchzuführen und so dem Gesetz Genüge zu tun?
  • Beachtung TTDSG: Die Nutzungsmessung ist technisch nicht erforderlich, um die App/den Dienst anzubieten. Eine Einwilligung nach § 25 TTDSG ist demnach erforderlich. Will die ARD hier nachbessern?
  • Consent-Management-Dialog: Die ARD verzichtet vollständig auf Einwilligungsbanner (Consent-Management-Dialog). Auch hier stellt sich die Frage, ob die ARD hier nachbessern möchte?

Auch wenn die Rechtsauffassung auseinandergeht, bedanke ich mich bei der ARD für die ausführliche Stellungnahme. Das sollte sich die Deutsche Bahn oder Deutsche Post zum Vorbild nehmen.

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