Wissen ist Macht: Das große Wissensdossier zu §25 TTDSG – das TTDSG Teil1

Einleitung

TTDSG

Trackingfirmen hassen es, wenn du mit diesen zwei Paragraphen kommst: Der TTDSG §25 und der dahinterstehende ePrivacy-Richtlinie Artikel 5 enthalten alles, um gegen Analyse-Cookies und App-IDs vorzugehen. Aber wie legt man den Paragraphen aus dem Gesetz mit dem Monstertitel aus? Wer dieser Frage nachgeht, findet auch bei eigentlich vertrauenswürdigen Stellen einseitige, trackingfreundliche Betrachtungen.

Das ist unfair und diese Artikelserie wird das ändern. Wir haben das ganze Thema komplett und neutral aufgerollt: Eine vierteilige Serie über die Entstehung der ePrivacy-Richtlinie, die aktuelle Auslegung, über Lobbyverbände, ein zweifelhaftes Hochschulinstitut und die falschen Behauptungen, die Datenschutzstellen von öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern verbreiten. Sie alle versuchen mit verschiedenen Tricks und Irreführungen, dass niemand an der Rechtmäßigkeit von Tools wie Google Analytics oder AT Internet zweifelt.

Warum TTDSG §25 für die Webanalyse so wichtig ist

In der DSGVO geht es um den Schutz von personenbezogenen Daten, das ist mittlerweile bekannt. Aber wenn eine Website oder eine App klassisches Analyse-Tracking einsetzen will, dann muss sie zuerst eindeutige IDs auf den Geräten schreiben und später auch lesen. Sonst wären die auf dem Server verarbeiteten Ereignisse einfach anonyme Daten und keine Verhaltensanalyse. Und für das Lesen und Schreiben von IDs, insbesondere in Cookies, gab es bereits lange vor der DSGVO eine eigene, rein technische Regelung. Sie stellt sicher, dass nicht einfach Daten auf oder von fremden Geräten geschrieben oder gelesen werden können. Es ist die europäische ePrivacy-Richtlinie, die in Deutschland in Form des TTDSG (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz) umgesetzt ist.

Der vorliegende Teil ist zusammen mit dem zweiten Teil mehr als ein journalistischer Artikel. Es ist ein Wissensdossier und eine Argumentationshilfe, mit dem interessierte Laien einen kostenlosen Einstieg in den vielleicht wichtigsten Anti-Tracking-Paragraphen erhalten. Hier kann man lernen, wie man irreführenden Behauptungen mit guten Zitaten von neutralen Organisationen begegnen und so sein Recht besser durchsetzen kann.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:

1. Die ePrivacy-Richtlinie

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Privatsphäreschutz, nicht Datenschutz

Die sogenannte ePrivacy-Richtlinie trat 2002 in Kraft und ist eine Form der indirekten europäischen Gesetzgebung: Richtlinien müssen erst in nationales Recht umgewandelt werden, damit sie vor Gericht angewendet werden können. Dabei dürfen die nationalen Gesetze aber nicht hinter der Richtlinie zurückbleiben. Die e-Privacy-Richtlinie will grundsätzlich regeln, welche Datenzugriffe auf Endgeräten erlaubt sind – unabhängig davon, ob es sich um personenbezogene Daten handelt oder nicht. Im Fokus steht also der Schutz des Endgeräts und der Privatsphäre. Deutschland hat – und hier beginnt eine lange Geschichte bewusster Ignorierung – diese Richtlinie sehr lange nicht wie gefordert in nationales Recht umgesetzt, sondern sogar ein altes Gesetz mit gegenteiligem Wortlaut in Kraft gelassen. Irgendwann hat der BGH diesen Unsinn beendet und die Regierung verabschiedete das TTDSG – dazu später mehr.

Nicht nur Cookies

Auch wenn oft vereinfachend von Cookies gesprochen wird, gilt die Regelung genauso für alle anderen Daten, die in Endgeräten gelesen und geschrieben werden, darunter Hardware-Informationen (für Fingerprinting), Local Storage oder solche IDs, die individuell im Quellcode der Seite oder dem DOM-Knotenbaum abgelegt werden. Für Daten, die Geräte aktiv versenden (IP-Adresse, Browser-String) erachtet man die Regelung üblicherweise nicht als anwendbar.

Alte und neue Fassung

Der alte Artikel 5.3 in der Richtlinie von 2002 war noch sehr auf die Übertragung einer Nachricht ausgerichtet und verwendete die Formulierung »Kommunikationsnetz«. 2007 erarbeitete die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Änderung der alten Richtlinie, die auch Zugriffe untersagte, bei denen keine »Kommunikationsnetze« verwendet wurden. Das Ziel war die Ausweitung des Schutzes der Privatsphäre.

Spyware

Bildquelle: Usuari totalment infectat per spyware by Xavier Caballe auf Flickr.

Zu dieser Zeit geschah das vor allem unter dem Eindruck von »Spähsoftware«, die per Internet, CD-ROM oder USB geladen wird und »heimlich zugunsten Dritter das Verhalten des Nutzers überwacht«. Im weiteren Verfahren wurde der ursprüngliche Änderungsvorschlag noch weiter verschärft: Auf Vorschlag des Europäischen Datenschutzbeauftragten EDSB wurde beispielsweise verhindert, dass Cookies die Nachrichtenübertragung »erleichtern« dürfen und so Sprachpräferenz oder Standort speichern.

How to auslegen: Die Erwägungsgründe

Wie bei der DSGVO gibt es auch bei der ePrivacy-Richtlinie Erwägungsgründe, die bei der Auslegung helfen können. Auch diese wurden bei den Änderungen von 2002 auf 2009 angepasst: Der Zugriff auf Cookies wurde in der alten Richtlinie von 2002 im Erwägungsgrund 25 erwähnt: Man stellte sie unter anderem als legitime und nützliche Mittel dar, über die man informiert werden solle und die man auch ablehnen können sollte. Wobei an dieser Stelle versäumt wurde, den Unterschied zu präzisieren: Sollte man einwilligen oder nur ein Angebot zur Ablehnung erhalten?

In der neuen Fassung von 2009 findet man einen angepassten Erwägungsgrund Nr. 66. Er spricht nun auch klarer von einer Einwilligung und verschärft den Wortlaut: Nur wenn die »technische Speicherung« oder der Zugriff »unverzichtbar« sind, kann der Zugriff ohne Einwilligung geschehen. Diese neue, strenge und technische Formulierung wird in der späteren Auslegung noch eine Rolle spielen. Den neuen Erwägungsgrund findet man übrigens nur in der oben verlinkten Änderungsrichtlinie 2009/136/EC, nicht in der aktuellen konsolidierten Fassung.

Ende 2009 wurde die neue ePrivacy-Richtlinie dann vom Europäischen Parlament akzeptiert. Im Gesetzestext blieb die Formulierung der Einwilligung für Speicherzugriffe mit wenigen Ausnahmen.

Endfassung von ePrivacy-Richtlinie Artikel 5 Absatz 3 (Fettdruck von uns):

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der Richtlinie 95/46/EG u. a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat. Dies steht einer technischen Speicherung oder dem Zugang nicht entgegen, wenn der alleinige Zweck die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz ist oder wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann.

Damit wurde der Grundstein für den Auslegungsstreit gelegt: Ist eine Webanalyse eine unberechtigte Spähsoftware, die ohne Einwilligung verboten ist oder kann sie ein »unbedingt erforderlicher« Dienst sein, der für einen »ausdrücklich gewünschten« Dienst erforderlich ist. Dieses Begriffspaar wird uns noch öfters in dieser Artikelserie beschäftigen.

2. WP 194: Frühe Auslegungen durch die europäischen Behörden

Jacob Kohnstamm

Unter dem Vorsitz des niederländischen Datenschutzbeauftragten Jacob Kohnstamm entwickelten die europäischen Behörden eine erste gemeinsame Auslegung zur »CookieRichtline«: das Working-Paper 194.

Nachdem einzelne Behörden mit der Anwendung begannen und sich unterschiedliche Auffassungen abzeichneten, war die Zeit gekommen, eine gemeinsame europäische Auslegung zu finden. Wichtig für diese Aufgabe war die sogenannte Artikel-29-Datenschutzgruppe, die regelmäßig schriftliche »Meinungen« zu Datenschutzthemen formulierte. Die Gruppe existierte seit 1995 und war ein Verbund europäischer Datenschutzbehörden, die sich bis zu ihrer Auflösung im Zuge der DSGVO-Einführung 2018 um eine Harmonisierung im Datenschutzbereich bemühte. Relevant für die Webanalyse-Frage ist vor allem das Working-Paper WP 194. Das Papier hat zwar keine bindende Wirkung, wurde aber wiederholt von nationalen Behörden oder auch dem Bundesgerichtshof zitiert.

Die Auslegung war einerseits sehr streng, öffnete für die Zukunft aber eine Perspektive, die dann immer wieder aufgegriffen wurde.

Was geblockt werden kann, ist nicht notwendig

Die Artikel-29-Gruppe schreibt ausdrücklich, dass bei der Prüfung einer möglichen Ausnahme von der Einwilligungspflicht zwei Tests bestanden werden müssen:

1) The information society service has been explicitly requested by the user: the user (or subscriber) did a positive action to request a service with a clearly defined perimeter.
2) The cookie is strictly needed to enable the information society service: if cookies are disabled, the service will not work.

Diese harte Prüfung per Cookieblockade auf die technische Notwendigkeit hin wurde später oft verneint, aber hier ist sie klar enthalten.

Nun wendet sich das Dokument den Analysecookies zu und stellt wenig überraschend fest, dass diese den Test nicht bestehen:

While they are often considered as a »strictly necessary« tool for website operators, they are not strictly necessary to provide a functionality explicitly requested by the user (or subscriber). In fact, the user can access all the functionalities provided by the website when such cookies are disabled.

Um das wirklich ganz klarzumachen, werden nun Beispiele genannt. Von der Einwilligungspflicht ausgenommen sind unter anderem Login-Cookies oder Load-Balancing-Cookies. Analysecookies werden hingegen gemeinsam mit Social-Media-Cookies und Drittanbieter-Werbe-Cookies als einwilligungspflichtige Cookies aufgeführt.

Diese eher strenge Auslegung dominiert wenig überraschend bis heute die Ansichten der einzelnen nationalen und subnationalen Datenschutzbehörden.

Der gern zitierte Hokus-Pokus-Anonymus-Absatz

Im Working-Paper 194 gibt es auch eine Zukunftsspekulation, die sehr gerne von Hokuspokus-Datenschutzbeauftragten irreführend zitiert wird: Bei den Analysecookie wird von der Artikel-29-Gruppe festgestellt, dass es unter strengen Bedingungen möglich wäre, eine Webseitenanalyse mit First-Party-Cookies durchzuführen, ohne dass ein Privatsphärerisiko wahrscheinlich wäre. Der Gesetzgeber, so schreibt das Papier, könnte (!) das also bei Gelegenheit in der Zukunft als dritte Ausnahme hinzufügen. Außerdem schlägt man für diese zukünftige Ausnahme vor, dass die Cookies streng auf First-Party-Statistikzwecke begrenzt sind.

However, the Working Party considers that first party analytics cookies are not likely to create a privacy risk when they are strictly limited to first party aggregated statistical purposes (…). In this regard, should article 5.3 of the Directive 2002/58/EC be re-visited in the future, the European legislator might appropriately add a third exemption criterion to consent for cookies that are strictly limited to first party anonymized and aggregated statistical purposes.

Bis heute ist diese Idee aber nicht von einer neueren Fassung aufgegriffen worden. Die lang geplante e-Privacy-Verordnung hängt fest und wird wohl gar nicht oder nicht so bald kommen. Der Absatz hat also keine Gültigkeit und die Tatsache, dass Zugriffe nur ein geringes Privatsphärerisiko haben, ermöglicht auf keinen Fall eine Ausnahme von der Einwilligungspflicht.

3. Die Zeit maximaler Verwirrung bis 2020

Spätestens mit Inkrafttreten der DSGVO kam Deutschland in eine absurde Lage: Das damalige Telemediengesetz erlaubte Cookies, welche die ePrivacy-Richtlinie verbot. Auf die Details will ich nicht eingehen, der Streit wurde schließlich Mitte 2020 vom Bundesgerichtshof geklärt (I ZR 7/16). Mit einem bemerkenswerten Konstrukt wurde die ePrivacy-Richtlinie für uneingeschränkt gültig und gleichzeitig das TMG für richtlinienkonform erklärt, obwohl es das im Wortlaut nicht war (der Datenschutz-Guru hat einen guten Artikel zu diesem Spagat geschrieben). Nun waren alle Zweifel ausgeräumt. Aber in der Zeit bis dahin wurde viel über Cookies diskutiert und gerangelt und jeder legte sich seine Argumente aus verschiedenen Versatzstücken zurecht. Besonders viel Aufregung verursachte der Verbund deutscher Datenschutzbehörden, die Datenschutzkonferenz (DSK), als sie die DSGVO mit einem Positionspapier nach den Vorgaben der ePrivacy-Richtlinie auslegte. Dass es heute immer noch so viele Seiten mit Google Analytics ohne Einwilligung gibt, liegt sicher auch an dieser Phase völliger Rechtsunsicherheit und Verwirrung.

In diesen Jahren wurde das WP 194 auch immer wieder von beiden Seiten als Argument herangezogen. Selten, aber doch manchmal wurde das WP 194 dabei fälschlicherweise als direkte Erlaubnis für Analysetracking interpretiert. Dabei wurde ja nur die Empfehlung gegeben, Analysetracking in einer möglichen, zukünftigen dritten Ausnahme zuzulassen. Hier zum Beispiel die Bitkom in einem ePrivacy-Leitfaden, Anne Riechert in einer Stellungnahme zu Einwilligungsassistenten für die Stiftung Datenschutz oder auch mal der Rechtsanwalt Carlo Piltz nebenher in einem Tweet. Manchmal wurden die zukünftigen Änderungspläne auch genutzt, um eine strenge Auslegung als »deutschen Sonderweg« zu framen, den zu befolgen man leider »vorsichtigen Websitebetreibern« raten müsse, bis irgendwann in naher Zukunft der eingeschlagene großzügige Weg der Artikel-29-Gruppe in Brüssel umgesetzt ist (hier ein Blog-Beitrag aus einem Datenschutz-Unternehmen). In den meisten Fällen wurde das Working-Paper aber nach dem Wortlaut so verstanden, dass Analystracking eine Einwilligung benötigt, hier zum Beispiel der Anwalt Thomas Helbing in einem Newsletter, Diana Ettig und Tilman Herbrich in einem Fachbeitrag und das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz in einer Untersuchung zur DSGVO.

4. Entlarvende Einblicke: Das Gerangel bis zur Einführung des TTDSG

Ende 2021 wurde dann endlich das unklare Verhältnis zwischen dem nun funktional beschädigtem deutschen TMG und der ePrivacy-Richtlinie gelöst: Das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) trat in Kraft, ersetzte das TMG und wiederholt im §25 recht wortgetreu die Ausführungen aus der ePrivacy-Richtlinie:

(1) Die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, sind nur zulässig, wenn der Endnutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat. (…)
(2) Die Einwilligung nach Absatz 1 ist nicht erforderlich, (…) 2. wenn die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf bereits in der Endeinrichtung des Endnutzers gespeicherte Informationen unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Telemediendienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen kann.

Vorangegangen war dem Gesetze (neben einem frühen Leak mit nie umgesetzten Ideen) die übliche demokratische Debatte des Gesetzgebers mit Expert’innen und Lobbyorganisationen. Die kamen leider vorwiegend aus dem Bereich der Medienunternehmen, Verlage und der Internetwirtschaft.

Medienwirtschaft: Bitte bitte Analyse-Mitschnitte!

Die 32 Stellungnahmen der verschiedenen Interessensverbände und die spätere Anhörung der Sachverständigen zum Entwurf des TTDSG sind hochinteressant. Denn trotz Bitten und Betteln für eine einwilligungsfreie Webanalyse wurde der offiziellen Referentenentwurf beim späteren §25 nicht mehr inhaltlich geändert. Außer Satzumstellungen ist er im endgültigen Gesetz gleichgeblieben. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber die zahlreichen Anregungen der Stellungnahmen, die dazwischen abgegeben wurden, offenbar nicht berücksichtigen wollte oder konnte. Jede Menge Organisationen, die heute das Gesetz mit Füßen treten, hatten größtenteils alle einen ähnlichen, dringenden Wunsch, dass nämlich bitte, bitte die Webseitenanalyse einwilligungsfrei werden soll. Das ist bei einigen wie ARD, ZDF und Deutschlandradio insofern sehr erstaunlich, als sie jetzt im Nachhinein behaupten, das sei ja im Gesetz weiterhin erlaubt.

Hier ein Überblick, wer solche Wünsche abgegeben hat – keiner wurde im Gesetz erfüllt:

  1. die »seitenbezogene statistische Analyse zur Verbesserung etwa eines journalistischen Angebots« als audrücklich einwilligungsfrei klarzustellen
    (Vorschlag von ARD, ZDF und Deutschlandradio),
  2. eine Bestimmung aufzunehmen, nach der ein Speicherzugriff »für die Reichweitenmessung« zulässig ist
    (Vorschlag der Verbände von Zeitschriften- und Zeitungsverlegern),
  3. Maßnahmen für »Reichweitenmessung« in die Einwilligungsausnahme einzuschließen,
    (Vorschlag der Bitkom),
  4. eine »Leistungs-, Nutzungs- und Reichweitenmessung« im Gesetz zu berücksichtigen
    (Vorschlag des Bundesverbands Digitale Wirtschaft),
  5. die unbedingte Erforderlichkeit, die für »Analysecookies« zweifelhaft sei, nicht ungelöst zu lassen
    (Vorschlag der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. GDD),
  6. explizit eine »statistische Reichweitenanalyse« als unbedingt erforderlich in den Gesetzestext zu übernehmen
    (Vorschlag des Instituts für Europäisches Medienrecht/Kristin Benedikt),
  7. die unbedingte Erforderlichkeit für Verfahren der Reichweitenmessung konkret zu bejahen
    (Vorschlag der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht/Rolf Schwartmann).

Die Argumentationen dieser Organisationen war naturgemäß stark interessengebunden und teilweise auch etwas holzschnittartig. Einen komplexen Vermittlungsversuch ließ unter anderem der unabhängige Jurist Alexander Golland erkennen, der sich in seinem Vorschlag um einen Kompromiss bemühte, die Privatsphäre zu schützen, ohne dabei eine minimalinvasive Reichweitenmessung zu verhindern, die zum Beispiel für unabhängig und betrugssicher gezählte Werbeprovisionen notwendig wäre (in Abgrenzung zu einer Verhaltensanalyse für die allseits bekannten »Optimierungszwecke«).

Zufrieden sein konnte am Ende vor allem der Verbraucherschutzverband, der in seiner Stellungnahme die Umsetzung »eng am Wortlaut« der ePrivacy-Richtlinie begrüßt hatte. Er freute sich auch, »dass nicht erneut der Versuch unternommen wird, über eine nationale Regelung neue Rechtsgrundlagen zum Speichern und Auslesen von Informationen auf den Endgeräten der Nutzer zu schaffen«.

Dass sich die zahlreichen Lobbyorganisationen nicht gegen den Verbraucherschutzverband durchsetzen konnten, lag vermutlich vor allem daran, dass die Vorschläge der anderen Lobbyverbände einfach zu weit von der verpflichtenden ePrivacy-Richtlinie abwichen und damit eine erneute Schlappe vor dem EuGH gedroht hätte (siehe auch Stellungnahme von Malte Engeler).

Weitere Folgen der Artikelserie:

Teil 2: Die aktuelle Auslegung der ePrivacy-Richtlinie in Deutschland und Europa
Teil 3: Das Lobbyinstitut
Teil 4: Tracking beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk – und die lascheste Datenschutzbehörde Europas

Bildquellen:

Stop: Freepik from www.flaticon.com is licensed by CC 3.0 BY

Über den Autor | Eberl

Matthias Eberl

Matthias Eberl ist freiberuflicher Multimedia-Journalist und schreibt außerdem für verschiedene Publikationen über Datenschutz-Themen. Für Journalisten gibt er auch Kurse im Bereich Informantenschutz. Er ist als Datenschutzbeauftragter von der IHK zertifiziert.

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Diskussion

3 Ergänzungen zu “Wissen ist Macht: Das große Wissensdossier zu §25 TTDSG – das TTDSG Teil1”

  1. Comment Avatar Lacrosse sagt:

    Die späte („korrekte“) Umsetzung der e-privacy RL sorgte für eine massive Privilegierung der Datenwirtschaft in Deutschland. Schlieẞlich sah das TMG noch eine Opt-Out-Lösung vor. Während im Rest Europas jahrelang bereits eine Einwilligungslösung galt. Wenn Wirtschaftsverbände die strenge Auslegung des Datenschutzes in Deutschland beklagen, vergessen sie diese Tatsache allzu gerne.

    • Comment Avatar Otto sagt:

      Mag sein, dafür war im Rest Europas die Auslegung was eine Einwilligung darstellt, sehr frei (z.B. GB: Weitersurfen nachdem Cookieleiste angezeigt wurde reicht aus). Die Einwilligung aus 2002/58 (in der Fassung aus 2009) wurde unabhängig von der DS-Richtlinie ausgelegt (arg: anderes Rechtsgebiet). Ich sehe da im Ergebnis keine frühere Privilegierung in D.

      Meiner Meinung nach wurde 2002/58 nur damals in § 13 Abs 1 S. 2 TMG in dt. Recht umgesetzt („automatisierten Verfahren, das eine spätere Identifizierung des Nutzers ermöglicht„), aber dann der Einwilligungsvorbehalt aus der Änderung 2009 nicht umgesetzt.

      Im Vergleich zur heutigen Rechtslage bei der Verarbeitung mit DSGVO war in § 15 Abs. 3 TMG auch ein Verbot der Verkettung von Online-Nutzungsdaten und sonstigen Daten (z.B. Kunden-CRM, Nicht-Web/App der Person). Da wird heute beim „berechtigten Interesse“ weniger Rücksicht genommen.

      Aber Normen werden häufig ignoriert, z.B. kümmert sich kaum einer um § 19 Abs. 3 TTDSG bzw. aus dem alten TMG („Die Weitervermittlung zu einem anderen Anbieter von Telemedien ist dem Nutzer anzuzeigen.“).

      Oft wird das nur hervorgeholt wenn es politisch passt (schwacher IT Sektor in EU, Framing als „Datensouveränität“ und im Ergebnis Wirtschaftsförderung als Ziel europ. Unternehmen).

      • Comment Avatar Lacrosse sagt:

        Die Mechanik einer Widerspruchslösung unterscheidet sich grundlegend von der einer Einwilligung – und zwar zugunsten des Datenverarbeitenden. Die Beibehaltung einer Widerspruchsregelung war deswegen ein Kernpunkt von deutschen Wirtschaftslobbyverbänden bei den Konsultationen zur E-Privacy VO. Dies geschah kaum grundlos..

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