Vivy und Co.: Krankenkassen warnen vor Debakel bei Digitalisierung

Dem Tagesspiegel liegt ein internes Papier von mehr als 90 deutschen Krankenkassen vor. Der Tagesspiegel schreibt:

Bei den gesetzlichen Krankenkassen wächst der Widerstand gegen die Digitalisierungs-Vorgaben von Gesundheitsminister Jens Spahn. Der Zeitdruck, den der CDU-Politiker bei der Einführung der elektronischen Patientenakte mache, sei kontraproduktiv, sagte der Vorstandschef der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK), Hans Unterhuber, dem Tagesspiegel. Nach dem bisherigen Stand der Dinge laufe es darauf hinaus, dass man nach dem Desaster mit der elektronischen Gesundheitskarte nun „wieder viel Geld in den Sand setzt“, ohne dass Krankenversicherte und Patienten einen nennenswerten Nutzen hätten.

Und weiter:

Das kann und will sich kaum eine Kasse leisten. Doch viele Versicherer sehen die politisch befohlene Hauruck-Aktion bei der Entwicklung der elektronischen Patientenakte mit Sorge. Man werde die Versicherten mit dem Projekt, wenn es so weiterlaufe wie geplant bisher, schwer enttäuschen, prophezeien sie. Denn es handle sich dann um ein Angebot, das erstens hochkompliziert und zweitens nur eingeschränkt nutzbar sei. „Und für diese Enttäuschung unserer Versicherten werden wir immens viel Geld ausgeben“, heißt es in einem internen Papier von mehr als 90 gesetzlichen Kassen, das dieser Zeitung vorliegt.

Genau diesen Eindruck hatte ich bereits letztes Jahr und er hat sich am Anfang des Jahres noch verstärkt. Im Beitrag Elektronische Gesundheitsakte: Das gefährliche Spiel mit den Gesundheitsdaten vom 7. Februar schrieb ich bereits:

Vor diesem Hintergrund sollten wir uns noch einmal vor Augen führen, dass all diese Anbieter mit sensiblen Gesundheitsdaten arbeiten! Es ist daher mehr als unverständlich, wenn immer mehr Krankenkassen auf den »Vivy-Zug« aufspringen. Insbesondere bei Vivy handelt es sich nach meiner Auffassung um eine hingeschluderte Lösung mit einem Sicherheitsniveau, das mit der positiven Außendarstellung des Unternehmens bzw. der Anzahl der »Sicherheitszertifikate« wenig gemein hat. Da helfen auch keine Penetrationstests, denn diese sind, obwohl notwendig, kein Allheilmittel für Sicherheitsmängel. Die fehlende Berücksichtigung von Informationssicherheit in der Entwicklungsphase kann später nur schwer oder gar nicht mehr korrigiert werden.

Man wird daher den Eindruck nicht los, dass Krankenkassen eher aus der Not heraus Lösungen wie Vivy einsetzen, weil sie dem Druck des Gesetzgebers ausgesetzt sind, ihren Versicherten einen digitalen Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Alternativen zu Vivy sind bisher leider rar – dennoch ist das nach meiner Auffassung kein Grund, eine Lösung zu unterstützen, die mit solch schweren Mängeln zu kämpfen hat. Letztendlich liegt die Verantwortung damit beim Versicherten, der auf solche Lösungen besser verzichten sollte.

Zusammengefasst:

  • Politik macht Druck, ohne die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen
  • Krankenkassen sind überfordert
  • Krankenkassen fühlen sich in Anbetracht der angedrohten Sanktionen dazu genötigt auf hingeschluderte Lösungen wie Vivy zu setzen

Die Konsequenz: Die Versicherten sollten Dienste wie Vivy nicht nutzen, bis einigermaßen vernünftige Lösungen bereitstehen.

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