Digitaler Minimalismus: Ein Weg zu mehr Datenschutz und Zeit

1. MinimalismusDigitaler Minimalismus

Digitaler Minimalismus? Der Titel des vorliegenden Beitrags mag zunächst befremdlich wirken, denn auf den ersten Blick erscheint das Thema wenig verwandt mit den hier ansonsten besprochenen Themen aus IT-Sicherheit und Datenschutz. Doch bei genauerem Hinsehen ergibt sich dann doch ein Zusammenhang zwischen digitalem Minimalismus und dem Datenschutz. Warum das so ist und wie digitaler Minimalismus nicht nur zu mehr Datenschutz, sondern auch zu mehr Freiheit und Lebensqualität beitragen kann, soll der vorliegende Beitrag aufzeigen.

Womöglich kennen einige von euch den Minimalismus als Lebensstil. Kurz von Wikipedia zusammengefasst: Ein Ziel des Minimalismus ist durch Konsumverzicht den Alltagszwängen unseres Lebens entgegenzuwirken. Das trifft es allerdings nicht ganz. Vielmehr verstehe ich unter Minimalismus, die eigenen Ziele mit minimalem Aufwand zu erreichen ohne sich dabei von Dingen ablenken zu lassen, die man nicht will. Minimalismus ist also ein Verzicht auf Überflüssiges – nicht nur den Konsum.

Dieser Lebensstil lässt sich auf die digitale Welt übertragen. Gerade hier lässt sich durch den Verzicht auf Überflüssiges nicht nur eine Menge Zeit einsparen und Stress reduzieren, sondern trägt auch zu mehr Datenschutz bei.

2. Digitaler Überfluss

Die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt sind fließend bzw. verschmelzen zunehmend miteinander. Unser Leben ist in vielen Teilen längst »digitalisiert« und eine Umkehr davon ist für die meisten nur noch schwer bis gar nicht vorstellbar. Diese Verschmelzung von analog und digital hat nach meiner Ansicht dazu beigetragen, dass wir die »Laster« der analogen Welt in das digitale Universum mitgenommen haben. Nicht nur analog leben wir in einer Überflussgesellschaft, sondern gerade in der digitalen Welt hat der Überfluss eine neue Dimension erreicht, der vor allem eines tut: Er beraubt uns wertvoller Zeit und hält uns davon ab Dinge zu tun, die uns im Leben wirklich wichtig sind.

2.1 Digitale Sklaven

Unser »digitales Ich« ist den unterschiedlichsten Reizen, Zwängen, Zeitfressern und angewöhnten Verhaltensweisen ausgesetzt. Ein paar Beispiele aus dem täglichen Leben:

  • Zwang bzw. (Informations-)Sucht: Schnell nochmal die E-Mails checken. Am besten alle 5 Minuten, ansonsten entsteht ein Gefühl, man könnte etwas verpassen. Gleiches gilt für soziale Netzwerke, deren Streams alle paar Minuten aktualisiert werden, um »auf dem Laufenden« zu bleiben. Zwischen der Aktualisierung der E-Mails und der Streams bleibt dann noch etwas Zeit, um die neuesten Nachrichten zu konsumieren – natürlich nicht nur auf einem Nachrichtenportal, sondern gleich auf drei, vier oder am besten gleich fünf Portalen. Wenn dort nichts Neues bzw. Interessantes steht, dann checkt man eben noch seine 30 bis 40 RSS-Feeds, um seine Sucht nach Informationen und aktuellen Meldungen zu befriedigen.
  • Die zeitraubende Technik: Die PS4 Vernetzung an den neuen Smart-TV zum direkten Streamen mittels DLNA funktioniert noch immer nicht – dabei hat man doch genau die Anleitung aus dem Internet befolgt. Irgendwie muss dann auch noch ein neues Custom-ROM auf das Android-Smartphone aufgespielt werden, weil die Audio-Ausgabe irgendwie nicht funktioniert. Und weil ja noch etwas Zeit übrig ist, muss der neue OpenSSL Patch auf dem Root-Server ausgerollt werden. Reicht nicht? Stimmt. Der Windows-Rechner vom Nachbar macht auch wieder Sperenzchen – Günther nuschelte beim Vorbeigehen etwas von »Remschonwär«, die vollständig die Kontrolle übernommen hätte.
  • Digitaler Konsum: Für den Kauf eines neuen Backofens wälzen wir Vergleichsportale, lesen Rezensionen und schlagen uns dann am Ende mit der Rücksendung herum, weil die Nische in der Küchenzeile doch etwas zu klein für das neue Gerät ist. Also doch wieder in den lokalen Elektrofachhandel, doch davor muss sich der Konsument von heute noch mindestens drei Barcode-Scanner aus dem AppStore herunterladen, um gleich vor Ort die Preise vergleichen zu können. Auf dem Weg in die Stadt kann dann noch die Amazon-Rücksendung bei der Post abgegeben werden.
  • Ständige Erreichbarkeit / Vernetzung: Telefon, SMS, E-Mail, soziales Netzwerk, Messenger – wir sind nahezu ständig über die unterschiedlichsten Wege erreichbar. Und da es heute immer schnell gehen muss, wollen die Leute auf ihre SMS nicht erst in einer Stunde eine Antwort haben, sondern am besten sofort. Die E-Mail vom Chef kann allerdings auch nicht warten und dann muss die WhatsApp Gruppe vom Tennisverein auch noch erfahren, dass das geplante Turnier aufgrund des schlechten Wetters leider ins Wasser fällt. All das schaffen wir aber nicht, weil jetzt noch ein dringender Anruf reinkommt.
  • Internet of Things: Die ans Netz angeschlossene Kaffeemaschine hat der Krankenkasse meinen Kaffeekonsum übermittelt – die in Aussicht gestellten Boni im »Mach-dich-fit Tarif« wurden daraufhin gestrichen. Zu allem Überfluss wurde am Wochenende dann noch eingebrochen, weil die Security-Kameras vom Haus ungeschützt von außen erreichbar waren. Aufgrund dieser Nachlässigkeit weigert sich die Hausratversicherung nun vehement für den entstandenen Schaden aufzukommen. Dank meines »connected Cars« weiß meine Frau nun auch, dass ich mich am Wochenende gerne im Rotlichtviertel am Bahnhof herumtreibe…
  • […]

Viele von uns haben sich schon derart an die »Annehmlichkeiten« und Ablenkungen vom Alltag gewöhnt, die uns der digitale Überfluss bietet, dass sie überhaupt nicht realisieren, wie dieser ihnen Zeit und Nerven raubt. Die Verknappung der Zeit resultiert letztendlich in Stress, Unzufriedenheit, Überforderung und führt in seiner schlimmsten Ausprägung zum Burnout. Es stellt sich die Frage, weshalb wir einen Großteil unserer Zeit für Dinge opfern, die uns bei näherer Betrachtung weder wichtig sind, noch zur Steigerung unserer Lebensqualität beitragen. Vermutlich steckt dahinter eine Mischung aus evolutionärer Veranlagung (bspw. Jagd- und Sammeltrieb), Gesellschaftsdruck (»du musst dies und das tun!«) und die gekonnte Verführung durch Werbung. Was auch immer dahinter steckt, wirkt sich nicht nur negativ auf uns als Person aus, sondern auch auf unseren Datenschutz. Wir sollten uns nämlich vor Augen führen: Bei der Nutzung von online Diensten und technischen Geräten hinterlassen wir auch immer Datenspuren, die meist mit uns direkt in Verbindung gebracht werden können.

3. Digitaler Minimalismus

Der digitale Überfluss ist unübersehbar und doch schwer greifbar. Unbemerkt hält er uns von den wirklich wichtigen Dingen im Leben ab – und auch wenn es jetzt abgedroschen klingen mag, aber die wichtigen Dinge sind bspw. die Familie, die Gesundheit, ein Einkommen, soziale Beziehungen und freier Lebensraum. Wir sollten also damit beginnen, die digitalen Zeitfresser zu entlarven und uns davon zu befreien. Dabei bleibt jedem selbst überlassen, wie »radikal« er dabei vorgeht bzw. den digitalen Minimalismus lebt und welche digitalen Zeitfresser womöglich doch einen persönlichen Nutzen haben.

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3.1 Reduktion auf das Wesentliche

Wir sollten uns auf das Wesentliche reduzieren und uns klug jener Last entledigen, die viel Zeit kostet, aber nur minimalen Nutzen stiftet. Hier ein paar Ideen auf dem Weg in den digitalen Minimalismus:

  • E-Mail Newsletter: Abbestellen! Am besten gleich alle. Behaltet nur jene, die ihr tatsächlich für eure Arbeit benötigt oder euch einen persönlichen Nutzen / Freude bietet.
  • Soziale Netzwerke: Reine Zeitverschwendung. Das Leben ist weitaus facettenreicher als ein vorgefilteter Facebook-Stream oder eine Kurznachricht bei Twitter. Trefft euch mit euren wirklichen Freunden offline, soziale Beziehungen sind digital nicht abbildbar.
  • Technik: Reduziert euch auf jene Geräte im Haushalt, die ihr tatsächlich benötigt oder euch wirklich Freude bereiten. Niemand braucht mehrere Spielekonsolen, Smartphones oder Tablets. Ein Smart-TV mit hunderten von Programmen ist ähnlich blödsinnig, wie ein Reiskocher, der erst dann funktioniert, wenn er über WLAN mit dem Internet verbunden ist. Entledigt euch diesen Zeitfressern. Sowohl Nutzung, Konfiguration und Instandhaltung dieser technischen Spielereien kosten Unmengen an Zeit.
  • Abonnements: Wer ein Abo hat, der bezahlt dafür meist monatlich oder jährlich eine gewisse Summe. Nicht genutzte Abos rufen allerdings ein schlechtes Gewissen hervor und lassen uns zwanghaft konsumieren. Benötigt ihr wirklich Netflix und müsst all die Serien konsumieren? Entledigt euch den Abos und behaltet nur jene, die euch einen Mehrwert bieten. 
  • Accounts: Über die Jahre hat sich eine stattliche Anzahl an Logins bzw. Accounts angesammelt. Entledigt euch all jener Accounts für Foren, Online-Shops, Messengern usw., die ihr über einen Monat nicht mehr verwendet habt. Ihr braucht sie vermutlich gar nicht mehr.
  • Programme / Apps: Auf einem Rechner oder Smartphone befinden sich meist unzählige Programme bzw. Apps. Viele davon benötigen wir schon lange nicht mehr bzw. spionieren uns sogar noch im Hintergrund aus. Entrümpelt großzügig! Persönlich würde ich nur jene Programme und Apps weiterverwenden, die Open Source sind.
  • Nachrichten: Um das Weltgeschehen zu verfolgen muss der News-Ticker nicht alle 10 Minuten gecheckt werden. Einmal pro Tag oder sogar pro Woche genügt vollkommen, um »auf dem Laufenden« zu bleiben. Außerdem genügt es sich auf wenige Medien zu reduzieren – die »großen« Nachrichten-Webseiten berichten grob sowieso über ähnliche Themen.
  • RSS-Feeds: Bei über 30 abonnierten RSS-Feeds überfliegt man meist nur noch die Überschriften und vernachlässigt das Lesen eines interessanten Artikels. Reduziert euch auf jene Feeds, die euch wirklich einen Mehrwert bieten.
  • Erreichbarkeit: Wer das Gefühl hat, die ständige Erreichbarkeit ruft Stress hervor, der sollte mal Folgendes ausprobieren: Das Smartphone / Handy für eine Woche abstellen. Die Erreichbarkeit reduziert sich dann meist auf den Festnetzanschluss und die E-Mail.
  • Internet of Things: Nicht jeder Schnickschnack muss vernetzt bzw. über das Internet erreichbar sein. Ich würde sogar so weit gehen und keine Dinge anschaffen, die zwangsweise das Internet benötigen – abgesehen von einem Rechner oder Smartphone. Hausvernetzung? Intelligente Stromzähler? Connected Cars? Wearables? Der Mehrwert für mich als Person ist meist gering – die Daten die dabei anfallen sind für viele Protagonisten dagegen wieder sehr interessant.

Die Liste mit Ideen ist sicherlich unvollständig, bietet euch aber vielleicht ein paar Anreize. Letztendlich geht es darum, die ganz persönlichen digitalen Zeitfresser zu identifizieren und abzustellen. Ihr könnt eure Ziele viel leichter erreichen, wenn ihr euch nicht im digitalen Überfluss verliert.

4. Fazit

Unsere Welt ist kompliziert. Wir selbst tragen dann oftmals noch dazu bei, die Dinge weiter zu »verkomplizieren«. Nicht wenige von uns besitzen mehrere Spielekonsolen, Smartphones, Abonnements und checken ständig den News-Ticker, RSS-Feeds und soziale Netzwerke. Unter dem Strich steigert das leider nicht unser Wohlbefinden, sondern lässt die Welt noch komplizierter Erscheinen, als sie eigentlich ist. Das Problem: Wir vergeuden unnötig unsere Zeit mit Dingen, die eigentlich komplett überflüssig sind und nur erfunden wurden, weil uns ansonsten vielleicht langweilig werden könnte. Wir verlieren den Fokus auf jene Dinge, die uns als tatsächlich wichtig sind. Am Ende des Tages klagen wir über zu wenig Zeit, ohne uns einmal bewusst vor Augen zu führen, wofür wir diese tagtäglich eigentlich vergeuden.

Der digitale Minimalismus ist eine Einstellung bzw. ein Lebensstil, der nicht von heute auf morgen realisierbar ist. Doch wer damit beginnt seine digitalen Zeitfresser zu identifizieren und zu beseitigen, der wird sich bald über mehr Zeit und Freiheit freuen. Ganz nebenbei tut ihr damit auch etwas für euren Datenschutz. Denn Daten die nicht anfallen, müssen auch nicht geschützt werden. Doch seid gewarnt: Ersetzt digitale Zeitfresser nicht durch andere, sondern widmet euch den Dingen, die euch tatsächlich wichtig sind.

Über den Autor | Kuketz

Mike Kuketz

In meiner freiberuflichen Tätigkeit als Pentester / Sicherheitsforscher (Kuketz IT-Security) schlüpfe ich in die Rolle eines »Hackers« und suche nach Schwachstellen in IT-Systemen, Webanwendungen und Apps (Android, iOS). Des Weiteren bin ich Lehrbeauftragter für IT-Sicherheit an der Dualen Hochschule Karlsruhe, sensibilisiere Menschen in Workshops und Schulungen für Sicherheit und Datenschutz und bin unter anderem auch als Autor für die Computerzeitschrift c’t tätig.

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Diskussion

24 Ergänzungen zu “Digitaler Minimalismus: Ein Weg zu mehr Datenschutz und Zeit”

  1. Comment Avatar Horst sagt:

    Schöner Artikel! Guter Anlass mal wieder auszuräumen ;)

  2. Comment Avatar MRO sagt:

    Wunderbar!

  3. Comment Avatar Anonymous sagt:

    Am Besten fnde ich, dass es am Ende des Artikels heißt: „Hat dir der Beitrag gefallen?

    Dann abonniere doch den RSS-Feed und zusätzlich den Microblog. Du kannst mir auch bequem auf GNUSocial oder Diaspora folgen.“

    ;-)

    • Comment Avatar Mike Kuketz sagt:

      Und nun? Wie im Beitrag dargestellt, muss jeder selbst entscheiden, was ihm wichtig ist. Für mich hat sowohl GNUSocial, als auch Diaspora einen persönlichen Nutzen.

      Vielleicht bleibt mein RSS-Feed dennoch nach deiner »Entrümpelungsaktion« erhalten. ;-)

  4. Comment Avatar Anonymous sagt:

    Genau Mike,
    ich sollte anfangen den Newsletter vom Kuketzblog abzuschalten und aufhören meine Zeit beim Lesen ihres Artikels zu vergeuden.
    :-)

  5. Comment Avatar Anonymous sagt:

    Ja die beschriebenen Symptome kenne ich sehr gut.
    Täglich schmachtend nach dem nächsten Kuketz-Feed, wie viel Zeit ich da wohl sparen könnte…nein ich bin bereits abhängig^^

  6. Comment Avatar Jack sagt:

    Hi Mike,

    Danke dir für den Super Artikel.
    Ich mach es fast zu 93% so wie du es hier beschrieben hast.

    Danke dir nochmal für die Mühe!

  7. Comment Avatar Axel sagt:

    Mal wieder ein toller Artikel. Dein Blog ist einer der wenigen, die wirklich einen Mehrwert bieten, in dieser von digitalem Müll überlasteten Welt.
    Danke dafür. : )

  8. Comment Avatar Anonymous sagt:

    Super Artikel, Mike!!!! Gleich mal an alle so-called Minimalisten, die immer sagen sie seinen Minimalisten aber die Google/Youtube, Facebook/Whatsapp und tausend Netzweke mit zig Logins nutzen, weiterleiten :)

  9. Comment Avatar Pako sagt:

    Hello Mike,

    Hat mich gefreut dein Artikel zu lesen, ganz meiner Meinung!
    Danke.

  10. Comment Avatar Zu sagt:

    Ein schwieriges Thema, da es schon in den psychologischen und philosophischen Bereich abrutscht. (Ehm… was nicht? ;)

    Nur Menschen die willig sind, bewusst zu werden und ein nachhaltiges Gut anstreben, sind fähig zu erkennen was Ablenkungen und ihre Auswirkungen sind. Für viele ist doch genau dieser digitaler Konsum „eins der Dinge, die für einen wichtig sind“. Besser gesagt: „Wichtig geworden sind“, weil einem Hobby nachzugehen lange und aufwändig sein kann, anstatt sich mal schnell mit dem virtuellen Zucker voll zu stopfen und seine Zwänge zu befriedigen. Der Digitalkonsum ist halt schnell und einfach. Mit dem minimalen Aufwand reicht es schon, sich zu Beschäftigen, sich was „gutes“ zu tun, der Langeweile und dem damit verbundenem Gefühl, aus dem Weg zu gehen.

    So häuft sich nach und nach viel digitales „Eigentum“ und Spielzeug an. Der Minimalismus kann erst durch den Überfluss erlernt werden. Wer dann in der Lage ist, zu sehen wie zugemüllt und überladen das eigene Selbst ist, wird dann anfangen aufzuräumen. Am besten es am Anfang öfter machen, um das Gefühl für das Nötige zu sensibilisieren. Der Minimalismus ist dann der Leitfaden, das anzustrebende Gut, um wieder Luft und Durchsicht in dem digitalen Smog zu bekommen. Wer weniger hat, wird es wieder schätzen, wie reich er ist.

    Daran sieht man schön die fließenden Grenzen, die Verschmelzung, zwischen analoger und digitaler Welt, wie Mike es auch hier geschrieben hat. Zu denken man könne seine Laster in dem digitalen Universum los werden, ist so nicht ganz richtig. Man nimmt sie meistens mit. Den das digitale Universum ist und bleibt ein Teil in der realen Welt. Wer hier Schwierigkeiten hat Ordnung zu halten, findet sich vielleicht als digitaler Messie wieder. Oder aber man ergreift die Chance und lernt Minimalismus im Digitalem und wendet es in den anderen Lebensbereichen an.

    Ein digitaler „Frühjahrsputz“ ist echt was tolles. Meiner findet nächste Woche statt!

    @Mike
    Danke für die guten Artikel. Du sagst was Sache ist und zeigst Alternativen. Das ist wichtig in einer Welt in der Monopol-Giganten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das Bewusstsein lähmen. Es ist schon so schwer genug klar zu werden, da benötigt man nicht noch mehr unnötige Informationen die einen benebeln. Kann man die Giganten wegen DDoS-Attacken/ Spam auf das eigene Bewusstsein verklagen? ;-)

  11. Comment Avatar Nils sagt:

    Auch ich habe mich sehr über dieses Statement gefreut, stimme dir in den meisten Punkten zu und versuche diese auch für mich selbst umzusetzen.

    An einer Stelle sehe ich das allerdings fundamental anders als du: Gerade bei (politischen) Nachrichten kann es fatal sein, sich nur auf „ein großes Portal“ zu beschränken. Hier ist es meiner Meinung nach essentiell, auch zum selben Thema möglichst viele Meinungen zu hören, um nicht – gefang in der eigenen Filterblase – einseitig indoktriniert zu werden.

  12. Comment Avatar woodchuck sagt:

    Okay, jetzt könnte man natürlich sagen, dieser Aufruf zur Reduktion sei ein ziemlich alter Hut: „Mensch werde wesentlich“ (Angelus Silesius, 1624-1677). Tatsächlich stimmt das, aber in unserer Zeit bringt ein asketischer Umgang mit Hardware, Software und digitalen Diensten neue Qualitäten mit sich:

    1. Security: Verringerung der Angriffsfläche
    2. Privatsphäre: Reduktion von Datenabfluss
    3. Ökologie: Durch gebremsten Konsum lässt sich die Bewohnbarkeit unseres Planeten etwas länger erhalten (Nur ein Beispiel: Die Produktion eines Smartphones verschlingt durchschnittlich 75 kg Rohstoffe.

    Von diesen Punkten abgesehen: Ich hatte mal das Vergnügen, mich mit einem der führenden Gehirnforscher Deutschlands über das Thema zu unterhalten. Kurzresümee der Unterhaltung mit Prof. Ernst Pöppel: Das ungebremste digitale Dasein verwandelt unser Gehirn in Rührei.

    Trotzdem gibt es mächtige Faktoren, die uns in die falsche Richtung treiben. Angefangen von psychologischen Anreizen (wer von uns kennt nicht die entsprechenden Sucht-Trigger?) bis hin zu unserem Gesellschaftssystem (der Kapitalismus ist nun mal seinem Wesen nach ein Wachstums-Junkie).

    Kurz gesagt: Einfach ist es nicht, da gegenzusteuern. Und bei dir, Mike, habe ich den Verdacht, dass dein Kind (Gottes reichen Segen auf allen seinen Wegen!) zu einer Neukalibrierung deiner Präferenzenskala ein bisschen beigetragen hat. (Was ja nun wirklich ein schöner Nebeneffekt wäre.)

    • Comment Avatar Mike Kuketz sagt:

      Mit deinem Verdacht magst du richtig liegen! :-)

    • Comment Avatar Gerald Spyra sagt:

      Sehr guter Hinweis mit dem Rührei, woodchuck. Passt wie die Faust aufs Auge.

      Ich meine ganz ehrlich, warum haben wir denn immer mehr „Burnouts“ usw.
      Na ganz einfach, weil die Nutzer von Smartphones usw. in einem Dauerangespanntheitszustand sind. Sie kommen nicht mehr zur Ruhe und erwarten jede Minute / Sekunde eine neue Nachricht usw. Da sagt der Körper und der Kopf (das „Rührei“) irgendwann mal, „ich kann nicht mehr“.

      Wenn man bedenkt, dass man eigentlich mindestens 10 Minuten bräuchte, um sich auf eine Sache zu konzentrieren und ohne „Unterbrechung“ in eine komplexe Materie einzuarbeiten, spricht das in Gesamtschau u.a. für die Qualität der heutigen Arbeit, Bände.

      Die Nutzung „smarter Geräte“ hat jedenfalls neben den ganzen Implikationen rund um den „Schutz von Daten“ immer mehr psychologische und gesellschaftliche Konsequenzen, die ich mit Sorge beobachte.

      Von daher kann ich Mikes Aufruf, wie ich ihm auch bei unserem letzten TELEFONAT mitteilte, nach mehr digitaler Selbstdisziplin und digitaler Hygiene, nur unterstützen.

      Wir sollten uns immer darüber bewusst sein, dass wir Menschen mit Smartphones, Wearables und Co. etwas nutzen, das „unmenschlich“ ist, das wir nicht beherrschen können und das, je mehr wir es nutzen, immer mehr die Herrschaft über uns gewinnt!

      • Comment Avatar woodchuck sagt:

        „Wenn man bedenkt, dass man eigentlich mindestens 10 Minuten bräuchte, um sich auf eine Sache zu konzentrieren und ohne „Unterbrechung“ in eine komplexe Materie einzuarbeiten…“

        Dem gegenüber steht die Forderung der heutigen Arbeistwelt, der produktive Mensch müsse Multi-Tasking-fähig sein. Über diesen Punkt hatte ich auch mit dem Hirnforscher Ernst Pöppel gesprochen. Sein Statement dazu: Kompletter Blödsinn, darauf ist unser Gehirn nicht ausgelegt – und wer’s versucht, wird dadurch bestraft, dass die Produktivität absinkt.

    • Comment Avatar Anonymous sagt:

      Kannst du das Gespräch mit den Gehirnforscher genauer beschreiben?

      • Comment Avatar woodchuck sagt:

        Ist in Lufthansa Exclusive (dem Magazin für die besseren Lufthansa-Kunden) erschienen – und leider nicht online abrufbar. Falls es dich interessiert, schick mir eine Mail an temporary@mad-as-hell.eu, dann kriegst du’s als pdf.

  13. Comment Avatar woodchuck sagt:

    Ein hübscher (beängstigender?) Beitrag zum Thema Online-Sucht in einem Guardian-Interview mit Evgeny Morozov:

    How do you manage your own net use?

    I’ve become very strategic about my use of technology as life is short and I want to use it wisely. I have bought myself a type of laptop from which it was very easy to remove the Wi-Fi card – so when I go to a coffee shop or the library I have no way to get online. However, at home I have cable connection. So I bought a safe with a timed combination lock. It is basically the most useful artefact in my life. I lock my phone and my router cable in my safe so I’m completely free from any interruption and I can spend the entire day, weekend or week reading and writing.

    Does the timer have a workaround?

    To circumvent my safe I have to open a panel with a screwdriver, so I have to hide all my screwdrivers in the safe as well. So I would have to leave home to buy a screwdriver – the time and cost of doing this is what stops me. It’s not that I can’t say „no“ to myself. I just waste too much energy having the internal conversation. I’d rather delegate the control to my safe and use my remaining willpower to get something done. I find it a very effective system.

  14. Comment Avatar Thomas sagt:

    Hallo Mike,

    vielen dank für diesen interessanten und lesenswerten Beitrag. Wieder ein Thema mit vielen nachvollziehbaren Punkten, welche mindestens zum Nachdenken anregen sollten.

    Gerade in den letzten Wochen erkennen ich an vielen Stellen, dass der Umgang mit den „modernen“ Medien vermehrt kritisch hinterfragt wird. Das Misstrauen scheint zu wachsen, und das ist gut so; also weiter so.

    In meinen persönlichen Grüssen zum Jahreswechsel, an für mich wichtige Menschen, werde ich mal auf diesen Artikel verweisen … halt eben nur so zum Nachdenken.

    Viele Grüsse

    Thomas

  15. Comment Avatar Esther sagt:

    Sehr interessanter und lesenswerter Beitrag!

    Bei einigen Passagen musste ich wirklich schmunzeln, denn vieles davon traf auch mich früher zu. Mittlerweile habe ich viele Accounts gelöscht bzw. löschen lassen und auch diverse Newsletter abbestellt… Alleine die Zeit, die ich jetzt dadurch spare, nicht mehr all die „ungeliebten“ E-Mails zu löschen, ist schon der Wahnsinn. Zero Mail lässt grüßen….

    Viele Grüße,
    Esther

  16. Comment Avatar Abu-Yunus sagt:

    Hallo Mike,

    ein wirklich sehr guter Artikel, welchen sich die Menschen besonders in der heutigen Zeit zu Herzen nehmen sollten. Vielen Dank !

    Sehr gerne möchte ich deinen Artikel noch mit folgendem Zitat von Aristoteles ergänzen:
    „Was es alles gibt, was ich nicht brauche !“

    Freundliche Grüße
    Abu-Yunus

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