Kommentar: Veröffentlichung von persönlichen Politikerdaten

1. DatenleakPolitikerleak

Es ist also passiert. Persönliche Daten wurden im Netz veröffentlicht – keine Neuigkeit eigentlich, wenn man die einschlägigen Newsticker verfolgt. Auch wir Datenschützer haben uns irgendwie daran gewöhnt.

Na ja, schon wieder. Aber wir haben es euch doch vorhergesagt

denken wir. Wobei auch wir gelernt haben, dass die Welt sich munter von jedem Datenleak zum nächsten Datenskandal weiterdrehte, ohne unterzugehen. Ist ja (eigentlich) nichts Schlimmes passiert. Nun, das ist so nicht ganz richtig. Zumindest bei großen Datenleaks von Unternehmen heben Politiker oder Unternehmenslenker oft den trägen, mahnenden »es muss (schnell) aufgeklärt werden«- Finger:

  • Die Betroffenen müssen umfassend informiert,
  • der böse Hacker muss gefasst,
  • ein unvorsichtiger Mitarbeiter getadelt
  • und die dürftige IT-Sicherheitsstruktur angepasst werden.

Lektion gelernt, alles wieder gut.

Und nun wurden persönliche Daten von Promis, Politikern, Journalisten und deren Kommunikationspartnern veröffentlicht. Plötzlich werden wir aus unserer gewohnten Newsticker-Routine medial aufgeschreckt, alarmiert! Skandalöses ist geschehen! Es wird ein Angriff auf unsere Demokratie beklagt. Man munkelt destruktive, destabilisierende Mächte am Werk. Es muss sich sich nun ein veritabler Skandal zusammenbrauen: Das BSI wusste was, das BKA nichts und keiner denkt daran die Datenschutzaufsichtsbehörden zu informieren – es konnte ja niemand wissen, dass eine Datenschutzaufsichtsbehörde sich beim Thema Datenschutz auskennen könnte. Nun ist es an der Zeit für den politischen, mahnenden »es muss (schnell) aufgeklärt werden«- Finger. Der erhob sich zahlreich und wild fuchtelnd. Natürlich wird danach wieder alles gut.

Gastbeitrag von lacrosse

Lacrosse ist betrieblicher Datenschutzbeauftragter in der Konzerndatenschutzorganisation einer deutschen Unternehmensgruppe. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich, um gemeinnützigen Vereinen bei der Umsetzung der DSGVO zu helfen.

Feedback und Fragen können direkt an ihn gerichtet werden. Spenden für seine Arbeit möchte er direkt dem Kuketz-Blog zukommen lassen. Ihr könnt also direkt an den Kuketz-Blog spenden.

2. Alles wieder gut? Nein!

Nur ist schon seit einer langen Zeit, nichts mehr gut. Was nun martialisch verbrämt als »Angriff auf die Demokratie« daherkommt, blendet den Umstand aus, dass unsere Demokratie gar nicht angegriffen wird, aber sehr wohl in Gefahr ist – durch immer mehr staatliche Überwachung und den unersättlichen Datenhunger von Unternehmen. Gepaart mit einer Technikgläubigkeit, die für alles eine Lösung verheißt, in Wahrheit aber Teil des Problems ist. Nur eben ist das alles kein Angriff, sondern eine schleichende, aber stete Erosion.

Der eigentliche Skandal ist, dass sich wegen jenes Vorfalls, ein so vielstimmiger und lauter Entrüstungschor bei unseren Volksvertretern erhebt – bei jedem anderen Datenskandal lauscht man doch eher Solisten.

Es ist aber auch verständlich. Man ist selbst betroffen – das Datenschutzrecht spricht nicht umsonst vom »Betroffenen«. Seine eigenen persönlichen Daten im Netz veröffentlicht zu sehen, entgegen der eigenen Selbstbestimmung und Kontrolle entzogen, ist kein schönes Gefühl. Seltsame, störende Anrufe von Unbekannten zu erhalten auch nicht.

Nur das ist, und ich schreibe das ohne Häme, für den Normalbürger Realität. Werbeanrufe in der privaten Freizeit ohne rechtliche Grundlage. Nervende Werbe-Mails von Unternehmen, zu denen man keine Kundenbeziehung unterhält. Ein enormer Aufwand der Datensammelwut von Unternehmen zu entgehen. Abends schnell noch ein Update, denn das Bürger-CERT hat schon wieder eine Sicherheitslücke ausgespuckt. Hier noch ein Werbewiderspruch abgeschickt… Privatsphäre ist heutzutage anstrengend.

Wie gesagt Häme verbietet sich. Die Privatsphäre von Menschen wurde, aus welchen Gründen auch immer, mit Füßen getreten – auch die der Chat- und Gesprächspartner. Nur anstatt vieler mahnender Finger und Entrüstungskrakele wäre es ein Gebot der Stunde, dass aus diesem Vorfall der richtige Schluss gezogen wird – Datenschutzvorfälle sind inzwischen alltäglich. Das ist so, weil für viele Menschen »datengetriebene Technik« im Alltag nutzbar gemacht wurde. Nutzen und verstehen ist aber nicht dasselbe und keinesfalls (bezogen auf datenverarbeitende Technik) gleichzusetzen mit Nutznießer. Promis, Politiker, Journalisten sind davon nicht ausgenommen.

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3. Fazit

Ich habe weiter oben das Wort Erosion verwendet. Es kommt aus dem Lateinischen »erodere« ‚abnagen‘. Jeder Datenskandal, jedes übergriffige Datenunternehmen oder Generalverdacht-Überwachungsgesetz tut genau das. Es nagt an unserem Vertrauen das unser Rechtsstaat Willens und in der Lage ist, die Privatsphäre seiner Bürger zu schützen.

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Diskussion

11 Ergänzungen zu “Kommentar: Veröffentlichung von persönlichen Politikerdaten”

  1. Comment Avatar Paw sagt:

    So wahr. Traurig aber so wahr. Dankeschön!

  2. Comment Avatar Rumpel sagt:

    Was mich persönlich an der Angelegenheit stört, ist nicht die Tatsache des Datendiebstahls durch wen auch immer. Das ist ganz sicher ein Problem und auch Ärgernis für die Betroffenen, keinen Frage.
    Was mich stört ist etwas aus meiner Sicht wesentlich Schlimmeres:
    Hier, wo (mal wieder) Daten, insbesondere Prominenter und Politiker gestohlen bzw. veröffentlicht werden, schreit ein jeder laut auf. Verständlicherweise die Betroffenen. Die haben auch allen Grund.

    Aber was ist z. B. mit der potentiellen Gefährdung der Sicherheit der persönlichen Gesundheitsdaten von (künftig) Millionen Bundesbürgen in solchen miserabel erstellten Gesundheits-Apps wie z. B. Vivy ? Oder dem Ausschnüffeln über das Internet während des Surfens . Mal davon abgesehen, das Letzters neben der unerlaubten Weitergabe persönlicher Daten (und jeder der Anderes behauptet lügt!) durchaus Ähnlichkeit mit Computerspionage hat. Da kräht kein Hahn nach. Vielleicht sollte die Leute aus den Kreisen von Regierung und Bundesgeneralanwaltschaft usw. einmal darüber nachdenken und ggf. vorbeugend tätig werden? Zumindest die Damen und Herren im Bundestag könnten das vorbeugend sehr wohl! Und Andere könnten sich mal das Thema Computerspionage überdenken. Das würde doch mal alle weiterbringen. O.K. natürlich nicht die Gewinner dieser Mißstände, aber damit können alle Anderen sicher gut leben.
    Verhinderte potentielle Datenmißbräuche bei einer Masse von Bürgern sind auch eine ganze Menge wert. Neben dem verhinderten Schaden und Verdruss vor allem ein Gewinn an Vertrauen in den Rechtsstaat.

  3. Comment Avatar Marc M. (Bavaria) sagt:

    Neben „diesem“ Datenskandal, der tatsächlich nur einer unter vielen ist, ist das Hauptproblem die Illusion zu haben, dass ein einzelner Staat hier mit mega-tollen Cyberabwehr-Zentren alleine irgendetwas ausrichten könne. Und klar ist natürlich auch, dass wenn es „Abwehrzentren“ gibt, es wohl auch bequem als „Angriffszentrum“ umgemünzt werden könnte. Dann bedient man sich noch Staatstrojanern (alleine der Name spricht schon für sich!) oder behält ggf. Schwachstellen in Quellcodes für sich oder verweist einerseits auf Transparenz und Datenschutz, kommt aber bei Auskünften bzgl. des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) sowohl auf Landes- wie auch auf Bundesebene nicht nach. Ganz wie einem belieben, werden immer gerne Sicherheit und Transparenz gefordert, aber selber vor der eigenen Haustüre lieber nicht so sauber gekehrt. ;-)

    Die Menschheit, zu der wir alle wohl biologisch gehören, kann prinzipiell nur aus Fehlern lernen, da wir ja keine Hellseher sind. Und genauso wie es vor Jahren schon mahnende Stimmen der Internet-Gründerväter gegeben hat, dass man nach dem Öffnen der Dose der Pandora (dem damaligen „Internet go live“ soz.) diese nicht mehr geschlossen bekommt und alles vernetzt werden wird, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, so kann man auch hier wieder nur lernen aus diesem Datenleak, den persönlich Betroffenen und der jeweiligen Schwachstellen im Prozess.

    Wichtig ist in meinen Augen, dass die Informationsflüsse für solche Vorfälle wirklich mal effektiv in einem Lagezentrum zentral gesammelt würden. Es ist ziemlich armselig mit anzusehen, welche politischen Protagonisten jetzt wieder erst alle möglichen Behördenchefs zusammen trommeln müssen, damit jeder den schwarzen Peter weitergeben kann. Alleine die Zeitverluste für solche logistischen Meetings sollte man sich sparen. Durch diese Behördenverquickungen werden die Hacker oder Angreifer auf diverse IT-Datensilos sich hier in diesem Land wohl kaum Angstpipi in die Hose machen, dass sie ggf. jemals erwischt würden. Aber auch dies dürfte wohl eine Illusion sein, da das Netz nicht umsonst Internet heißt und die Delinquenten irgendwo auf diesem Planeten sitzen könnten. Vielmehr haben wir ggf. noch Glück gehabt, dass es sich eventuell nicht um eine konzertierte Aktion gehandelt hat. Aber auch hier hat man vermutlich noch nicht genug Infos dazu und stochert im grauen Datennebel herum. Immerhin kümmert sich jetzt unser Heimatminister, der werte CSU-ex-Grandsegnieur Hr. Seehofer persönlich um eine Klärung. Da kann ja nun wirklich nichts mehr schief laufen, er ist ja förmlich der Inbegriff der IT-Security-Kompetenz. (*Ironie aus*)

    • Comment Avatar Rainer sagt:

      Also was denn nun?

      Soll der Staat seine Schutzpflichten erfüllen und das Netz überwachen oder soll er wegen „Datenschutz“ dem Vorwurf der Staatstrojaner-Überwachung nur so ein bisschen im Netz präsent sein?
      Kann es sein, dass sich die User allgemein und ebenso Prominente als auch Politiker ihre Ziele je nach ihrer subjektiven Perspektive ausrichten? Getreu dem Motto: „Wasch mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass.“

      Das Internet ist eine digitale Fehlkonstruktion im Vergleich zum analogen Leben. Kaum jemand käme auf die Idee, durch Städte keine Cops patroullieren zu lassen, weil sie gelegentlich völlig „Unschuldige“ kontrollieren. Anonymität auf den Strassen gibt es nicht. DNA und Fingerabdruck machen jeden identifizierbar. Im Netz wird Anonymität als eine Art Grundrecht angesehen und gleichzeitig basieren fast alle Computerstraftaten auf dieser (scheinbaren) Anonymität. Verrückte Welt.
      In Demokratien ist Pseudonymität wichtiger, um Meinungen frei äussern zu können ohne Anfeindungen befürchten zu müssen. Dazu braucht es keine vollständige Anonymität. Die ist nur in Autokratien und Diktaturen essentiell.
      Nur damit kommen wir zum Problem und dem konstruktiven Spagat. Wer entscheidet über die Freiheit der Menschen und der Regeln im Netz? Putin? Erdogan? Trump? Saudis? Das deutsche BSI bzw. der Gesetzgeber? – Eben keiner. Das Netz gleicht einem Strassenkampf ohne Regeln und jeder nutzt es für seine Zwecke und seiner moralischen Wertvorstellungen, sofern vorhanden.
      Dieser Zustand hat die Sprengkraft eines Tages Kriegsgrund zu werden.

    • Comment Avatar Bernd sagt:

      Ständige Passwortdiskussion nerven. Es ist doch einfach:

      +meine104(Passwörter)sindextremsicher?

      Einfach zu merken.

      Ist das mit Brute Force zu knacken? 38 Stellen 10 Ziffer, 26 Groß-, und 26 Kleinbuchstaben und ca. 30 Sonderzeichen. Also 38^92 sollte auf Jahre sicher sein.

      Selbst wenn ich es so definiere:

      +meine3AccountsbeiYah00knacktmirkeinHäcker (mit Absicht ein ä;-)

      Oder wie sehen das die Experten?

  4. Comment Avatar savant sagt:

    Der Skandal ist, dass es ein Skandal ist, wenn es Politiker sind. Ansonsten ist Überwachung nämlich voll super.

  5. Comment Avatar Johnny B. Goode sagt:

    Genau die gleichen Politiker haben den Überwachungsstaat installiert, oder sie haben zumindest die Gesetzesvorlagen dazu im Bundestag untätig durchgewunken. Es ist wie mit den Jagdgewähren, manchmal gehen die halt nach hinten los. Ich freue mich, dass man diesen Leuten den Spiegel vorgehalten hat.

    Die Demokratie ist durch diesen „Vorfall“ kein bißchen mehr gefährdet, es wird nur deutlich, wie ahnungslos Politiker mit der IT umgehen (können). Und diese Unbedarften treffen Entscheidungen über die Digitalisierung Deutschlands. Die merken nicht einmal, dass der Zug längst abgefahren ist.

  6. Comment Avatar Rainer sagt:

    Ein Grüner fordert mehr „Cyberpolizei“!?

    Und morgen fordern sie die Vorratsdatenspeicherung? – Verzeihung, das Problem sitzt vor dem Computer. Merkel hatte total richtig gelegen mit ihrer Aussage: Das Internet ist Neuland.
    Offenbar gilt das für den Großteil der Bevölkerung, solange 12345 zu den beliebtesten Passworten gehört.

    Tja und was ist mit erlaubten Datenschnorchlern wie Whatsup? Android kennt eine Vielzahl von Berechtigungen, die das absaugen quasi mit „Genehmigung“ der Eula anderer App-Entwickler legalisiert. Was macht ein „Drittanbieter“ aus ru damit? – Alles!

    Man muss nicht besonders hochrechnen, wenn in jedem Adressbuch nur 100 Kontakte stehen, bei denen wiederum 100 stehen und wieder und wieder…
    Bei Prominenten oder Politikern ein wahre Fundgrube.

    Klasse Beitrag von Mike!

  7. Comment Avatar Al CiD sagt:

    Moin

    …schärfere Gesetze, mehr Gesetze… immer lauter.

    Würde man sich der schon länger bestehenden Gesetze, ganz besonders der DSGVO, bedienen und diese auch EU-weit durchsetzen, ganz besonders – aber nicht nur – bei FaceBook, Google, Microsoft, Apple, Amazon & Co., bräuchte man kaum (mal wieder) darüber diskutieren.

    …allein, was sich FaceBook heraus nimmt, besonders wenn ich dort gar kein Konto habe, es ist kriminell und keiner geht dagegen wirklich vor… kein Interesse? …vielleicht jetzt mal, aber man vergisst auch schnell wieder…

    Mittlerweile hat man wohl den (geständigen) Täter gefasst (http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/daten-leak-ermittler-nehmen-tatverdaechtigen-fest-a-1246904.html).
    Was aber, wenn der nicht in Deutschland oder der EU wohnt?
    Tja, dann würde wieder nur der Ochs vorm Berg stehen und nicht weiter wissen.

    OT:
    Die Verwendung der Bezeichnung „Volksvertreter“ halte ich schon länger als eine Beleidigung der Bevölkerung…

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