Kommentar: Eine unbequeme Datenschutz-Wahrheit

1. Datenschutz oder Selbstdatenschutz?Selbstdatenschutz

Sowohl im Umfeld von IT-Sicherheitsexperten als auch im umgangssprachlichen Gebrauch wird Datenschutz häufig als Selbstdatenschutz (miss)-verstanden. Die Idee dahinter: Jeder für sich solle Maßnahmen ergreifen, um sein individuelles Recht auf informationelle Selbstbestimmung durchzusetzen – unabhängig von politischen und gesellschaftlichen Schutzmechanismen. Als solcher ist Selbstdatenschutz – wie er auch in anderen Artikeln auf diesem Blog vorgestellt wird – vor allem vom persönlichen Interesse des einzelnen Menschen abhängig. Außerdem spielt es eine Rolle, ob der oder die Einzelne über das notwendige Wissen bezüglich entsprechender technischer Möglichkeiten verfügt und die erforderliche Motivation aufbringen kann, sich für das eigene Recht auf informationelle Selbstbestimmung einzusetzen.

Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Nils.


2. Möglichkeiten des Selbstdatenschutzes

Die zentrale Strategie im Kampf um die eigenen Daten besteht darin, eine Erhebung ebendieser zu erschweren oder unmöglich zu machen. Im weiteren Sinne geht es darum, sich mit den theoretischen Grundlagen des Datenschutzes sowie der Datensicherheit auseinanderzusetzen und für sich selbst wirksame Strategien zu entwickeln, die den eigene Ansprüchen gerecht werden. Dies kann durch unterschiedliche Maßnahmen und Verhaltensweisen erreicht werden:

  • Eine sehr wirksame, wenngleich auch realitätsferne Option besteht darin, bestimmte Technologien, bei deren Nutzung gewöhnlich Daten anfallen, gespeichert werden und gegebenenfalls in fremde Hände geraten können, nicht zu verwenden. Dies würde einen Verzicht auf E-Mails, Smartphones, das Internet und möglicherweise Computer an sich bedeuten. Warum eine solche Vorgehensweise in Zukunft kaum mehr umsetzbar sein wird, soll im Weiteren geklärt werden.
  • Zudem ist es möglich, durch verschiedene technische Lösungen die eigene digitale Identität zu schützen, zu verschleiern oder zu pseudonymisieren und die Datenmenge, die bei der Nutzung verschiedener Dienste entsteht, zu minimieren. Beispiele hierfür sind unter anderem:
  • Zusätzlich können geltende Datenschutzgesetze bezüglich der Speicherung personenbezogener Daten bei öffentlichen und privaten Stellen genutzt werden, um die festgeschriebenen Rechte zur Einsicht, Berichtigung oder Löschung dieser Informationen durchzusetzen.

2.1 Selbstdatenschutz alleine genügt nicht

Es ist unbestritten, dass der wirksame Schutz der eigenen Informationen derzeit hauptsächlich durch selbstständig gewählte Verhaltensweisen bewirkt werden kann. So sind politische Lösungsansätze entweder unerwünscht oder blamieren sich durch ihr naives Verständnis der Materie. Einen aktuellen Fall liefert beispielsweise der Gesetzentwurf zur »Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes«, der von den Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD entwickelt wurde. Im besagten Fall geht es um die Trennung deutscher von ausländischer Kommunikation, wobei erstere laut dem Gesetzentwurf nicht vom Geheimdienst überwacht werden darf. Allerdings gestaltet sich eine derartige Trennung nach Ansicht eines vom Chaos Computer Club in Auftrag gegebenen Gutachtens als nahezu unmöglich. Die Angelegenheit wurde unter anderem unter dem griffigen Titel »CCC erklärt dem Bundestag das Internet« publik.

Trotzdem stellt sich die Frage: Reicht Selbstdatenschutz alleine aus? Oder gibt es darüber hinaus eine Verantwortung des einzelnen Menschen gegenüber der Gesellschaft – konkreter: Gegenüber seinen Mitmenschen – datensparsam zu handeln? In einem anderen Bereich hat sich ein solches Denken mittlerweile etwas stärker etabliert: Dem Umwelt- und Klimaschutz, hier allerdings in eine andere Richtung. So rechtfertigen viele BürgerInnen die eigene Untätigkeit in Bezug auf umweltschonendes Handeln mit dem Argument, dass sich persönliches Engagement nicht lohnen würde, solangeder Großteil einer Gesellschaft weiterhin egoistisch und ohne Rücksicht auf die Bewahrung unserer Erde lebt.

3. Gegenargumente entkräften

Die meisten LeserInnen dieses Blogs dürften sich einig darin sein, dass es keine stichhaltigen Argumente gegen wirksamen und umfassenden Datenschutz gibt. Vielmehr stehen einem effektivem Verhaltenswandel fehlendes Wissen, mangelndes Problembewusstsein oder unzureichende Motivation entgegen, kurz: Die Bereitschaft für ein winziges bisschen Bequemlichkeit bereitwillig große Teile seiner Privatsphäre und Intimität aufzugeben. Um hier eine Veränderung zu bewirken, ist es unablässig vorhandene Vorurteile der Art »Ich habe doch nichts zu verbergen« oder «Durch Überwachung fühle ich mich sicherer« aufzudecken und zu entkräften. Dies soll jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrags sein. An dieser Stelle soll es vielmehr darum gehen, eine grundlegende Verantwortung im Umgang mit eigenen sowie fremden Informationen zu begründen, die unabhängig von persönlichen Meinungen und Anschauungen ist.

4. Fremde Daten müssen geschützt werden

Auch wenn man selbst auf Facebook schreibt, Fotos bei Instagram postet und seinen Computer mit Windows 10 betreibt, befreit dieser laxe Umgang mit der eigenen digitalen Identität nicht von der Pflicht zum sorgsamen und respektvollen Umgang mit den persönlichen Informationen Anderer. Ähnlich Gesprächen in der analogen Welt, in welchen man Meinungen, Gedanken und womöglich Geheimnisse mit Anderen teilt und sich dabei auf deren Diskretion verlässt, müssen auch im digitalen Raum die Daten und Informationen anderer Menschen sicher und vertrauensvoll behandelt werden: Ich ärgere mich, wenn meine Bekannte, die für ein Wochenende zu Besuch ist und ihren Windows-10-Laptop dabei hat, mein WLAN-Passwort mit Microsoft teilt. Wenn ich mit einem Freund meine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer austausche, macht es auf mich keinen guten Eindruck, wenn dieser sie als erstes an Google weitergibt, indem er beispielsweise ein Adressbuch auf einem Google-Server pflegt. Noch schlimmer: Selbst wenn ich selbst von einem anderen E-Mail-Provider aus eine Nachricht an ein Google-Konto schicke, wird deren Inhalt analysiert – ohne dass ich dem jemals zugestimmt hätte.

Nicht umsonst gab es eine auch rechtlich relevante Debatte, ob WhatsApp überhaupt problemlos in Deutschland verwendet werden darf. Der Grund hierfür: NutzerInnen erteilen WhatsApp beziehungsweise mittlerweile Facebook die Erlaubnis, das eigene Adressbuch auf Server in den USA zu übertragen, ohne dafür in den meisten Fällen die Zustimmung der Personen im Adressbuch eingeholt zu haben.

Selbstverständlich kann das Ziel nicht sein, von jedem Menschen zu verlangen, Daten geheimdienstsicher aufzubewahren (was, nebenbei bemerkt, unmöglich scheint). Vollkommen angemessen ist es aus meiner Sicht allerdings zu verlangen, dass jede/r Einzelne zumindest den Versuch unternimmt, die ihm oder ihr anvertrauten Daten nicht aktiv an Dritte weiterzugeben und wenigstens grundlegende Maßnahmen zum Schutz derselben ergreift. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen: Wem dies aufgrund fehlenden Wissens nicht möglich ist, sollte auf die Nutzung bestimmter Technologien verzichten – so wie ich ohne Führerschein kein Auto fahren darf.

4.1 Daten sind wertvoll

Wer an dieser Stelle einwirft, dass es im Straßenverkehr immerhin um die Bewahrung von Menschenleben geht und nicht um ein paar »wertlose« Daten, dem muss zunächst einmal Recht gegeben werden. In einem zweiten Schritt muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Daten keineswegs wertlos sind. Obwohl die meisten LeserInnen in der glücklichen Situation sein dürften, sich aufgrund von (Meta)-Daten nicht in Lebensgefahr zu begeben, haben die über uns erhobenen Daten besonders in der Masse (Stichwort: Big Data) einen enormen finanziellen sowie einen nicht zu verachtenden politischen Wert:

4.2 Von der Macht der NutzerInnen

Insbesondere bei sogenannten »alternativen« Messengern wird das Problem der Nutzerzahlen deutlich: XMPP kann nur gesellschaftsfähig werden, wenn eine kritische Masse an NutzerInnen erreicht und so die marktbeherrschende Stellung von WhatsApp durchbrochen wird. Umgekehrt gilt jedoch auch: Die Big-Data-Konzerne, die prominent im Alltag der meisten Menschen vertreten sind, erhalten durch die schiere Masse an NutzerInnen indirekt ein Mandat, welches ihr Handeln legitimiert und ihnen gestattet, auch in Zukunft ihre Marktmacht zum eigenen Vorteil zu nutzen. Deutlich wird dies am Beispiel Microsofts: So können sich Softwareentwickler auf die faktische Monopolstellung des US-Konzerns berufen, wenn es darum geht Versionen ihrer Software für andere Betriebssysteme (nicht) zu entwickeln.

Anders ausgedrückt: Jede/r NutzerIn datensammelnder Software und Dienste gibt nicht nur seine/ihre eigenen Daten und möglicherweise die Anderer preis, sondern signalisiert mit derenNutzung gleichzeitig ein Einverständnis mit dieser Praxis und ein Desinteresse an Alternativen. Durch ein solches Verhalten wird einer immer weitergehenden Datensammlung Tür und Tor geöffnet: »Sie haben uns Ihren Namen genannt? Dann haben Sie doch sicher auch nichts dagegen, wenn wir ihre E-mail-Adresse speichern und ihr Surfverhalten aufzeichnen…« Beispiele hierfür aus der Vergangenheit gibt es genügend:

  • Um wieder auf Microsoft zurückzukommen: Hielt sich die Datensammlung bei Windows 7 noch in Grenzen beziehungsweise wurde erst schrittweise und unter der Hand »nachgerüstet«, ist diese bei Windows 10 Standard.
  • Wurde früher der Gang in den Sexshop möglicherweise aufgrund des potenziell peinlichen Kontakts mit den dort Beschäftigten gemieden, werden heute Sexspielzeuge ver- und gekauft, die detaillierte Nutzungsprofile an den Hersteller verschicken.
  • In diesem Jahr bekam die Google-Tochterfirma DeepMind Zugriff auf eine geradezu unvorstellbar große Zahl – Berichte sprechen von bis zu 1,6 Millionen – Patientendatensätze – angeblich, um ein Monitoringssystem für PatientInnen mit Nierenproblemen zu entwickeln. Diese enthielten unter anderem Informationen über HIV-Infektionen, Schwangerschaftsabbrüche, Drogenintoxikation sowie weitere Krankendaten der letzten fünf Jahre.
  • Canonical hat die in Version 12.10 seines Betriebssystems Ubuntu eingeführte Amazon-Suche erst nach heftiger Kritik und einem Big Brother Award für Mark Shuttleworth in einer späteren Version wieder entfernt und eine Klage gegen eine Möglichkeit zum Abschalten der Online-Suche fallen gelassen.

5. Zunehmende Komplexität und omnipräsente Überwachung

Während die Menge an Daten, die von verschiedenen staatlichen und privatwirtschaftlichen Stellen gesammelt werden, beständig zunimmt, wird diese Datensammlung gleichzeitig immer komplexer und allgegenwärtiger. In seinem Artikel »The Privacy Wars Are About to Get a Whole Lot Worse« zeichnet Cory Doctorow ein für DatenschützerInnen düsteres Bild: Waren datensammelnde Dienste und Systeme bisher meist eindeutig als solche erkennbar und erforderten zudem eine Zustimmung zu einer »Datenschutzerklärung«, wird sich auch dies in Zukunft ändern. Mit einem »Internet of Things«, das jedes nur denkbare Gerät – von der Glühbirne, über medizinische Geräte bis hin zu Autos und anderen Verkehrsmitteln – internetfähig macht, werden wir täglich mit unzähligen Computern in Berührung kommen, die Informationen über uns sammeln. Dabei werden wir wohl in den meisten Fällen nicht mehr nach unserem Einverständnis gefragt werden: Der Smart-TV in der Lieblingskneipe wird alle Gespräche aufnehmen und verarbeiten, um Befehle per Sprachsteuerung entgegenzunehmen. Jedes autonome Auto, dass an uns vorbei fährt, wird mit Kameras und verschiedenen Sensoren Bilder von uns machen, unsere Bewegungsabsichten erkennen und in einer Cloud verarbeiten – ohne dass wir uns dagegen wirksam zu Wehr setzen könnten.

Aus diesem Grund möchte ich meine eingangs erwähnte Forderung bestärken: Ohne die grundlegende Funktionsweise eines Geräts oder einer Technologie verstanden zu haben und mich mit den entsprechenden Risiken beschäftigt zu haben, ist eine verantwortungsvolle Nutzung kaum möglich und sollte deswegen nicht in Betracht gezogen werden.

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6. Wege in die richtige Richtung finden

Die Entwicklungen in diesem Bereich sehen nicht gut aus: Weder hat sich nach den Snowden-Enthüllungen politisch in Deutschland oder gar in den USA wesentlich etwas verändert, noch führen immer neue Skandale zu einem drastischen Rückgang der Nutzerzahlen der betroffenen Unternehmen. Selbst das Debakel um die »Safe Harbour«-Regelung hat nicht zu einem grundlegenden Politikwechsel geführt.

Um den bekannten Problemen, die sich aus dem profitgesteuerten Datensammeln verschiedener Konzerne ergeben, wirkungsvolle Mechanismen entgegenzusetzen, ist daher eine tiefe Verankerung eines bedachten Umgangs mit schützenswerten Daten im gesellschaftlichen Bewusstsein unumgänglich. Gleichzeitig scheint dies politisch wie ökonomisch nicht gewollt zu sein. Ebenso sinnvoll wäre es – besonders in Anbetracht der zunehmenden Vereinnahmung unserer Schulen und Bildungseinrichtung durch Big-Data-Unternehmen – das Thema als Teil des Lehrplans zu diskutieren. Denn klar ist: Ohne eine wirkliche, ernst gemeinte »digitale Alphabetisierung« unserer Gesellschaft wirkt die Forderung nach einem sparsamen und damit verantwortungsvollem Umgang mit eigenen und fremden Daten illusorisch.

Doch auch innerhalb der IT-Sicherheit- und Datenschutz-Community scheint mir ein Umdenken notwendig: Während es bereits eine Vielzahl technischer Lösungen gibt oder sich solche zumindest in der Entwicklung befinden, geraten Aufklärung und die Schaffung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für die Notwendigkeit datensparsamen Handelns allzu häufig ins Hintertreffen. Während der Kuketz-Blog und einige andere Projekte sicherlich eine Ausnahme bilden, begegne ich an anderer Stelle häufig einer gewissen Arroganz und teilweise sogar Verachtung für diejenigen, mit denen man eigentlich mit viel Geduld und anhand konkreter Beispiele in einen Dialog treten sollte, um sie letztendlich von WhatsApp, Windows und Co. wegzuholen.

Bildquellen:

Biometrie: OpenClipart-Vectors, Creative Commons CC0

Über den Autor | Gastbeitrag

Gastbeiträge werden von Autoren verfasst, die nicht zum festen Redaktionsteam des Kuketz-Blogs gehören. Bevor ein Gastbeitrag veröffentlicht wird, findet eine inhaltliche Abstimmung mit mir statt. Dabei übernehme ich die redaktionelle Bearbeitung des Textes, prüfe den Inhalt und bereite den Beitrag sorgfältig für die Veröffentlichung im Blog vor.

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Diskussion

18 Ergänzungen zu “Kommentar: Eine unbequeme Datenschutz-Wahrheit”

  1. Comment Avatar Anonymous sagt:

    Ein sehr gutgelungener Artikel Nils. Schade, dass nur wenige Leser sich das anschauen werden.

  2. Comment Avatar Anonymous sagt:

    Ein großes Problem aus meiner Sicht ist, dass diese Nachrichten von Millionen gehackter Konten, DDoS-Angriffen durch IoT-Geräte oder Zusammenarbeit von Unternehmen und Nachrichtendiensten nicht als wirkliche, offensichtliche Bedrohungen für einen Privatanwender deutlich werden. Digitale Daten „irgendwo im Internet“ sind für die Masse so etwas wie Radioaktivität. Man sieht, riecht, hört, fühlt und schmeckt es nicht.

    Einerseits tragen da sicherlich unsere alltäglichen Medien in Form von Tageszeitungen, Magazinen, Reportagen usw. eine große Mitschuld, weil diese Medien Zusammenhänge entweder fehlerhaft darstellen (z. B. DDoD-Hack, Hash-Verschlüsselung) oder versuchen so neuartig zu erklären, dass man nach ein paar Wörtern nichts mehr versteht.

    Andererseits wird der Nutzer durch eine Vielzahl von Möglichkeiten in Form von Internetseiten, -diensten und Anwendungen einfach überfordert. Wer beachtet beispielsweise diese kleinen Schaltflächen, die über den Einsatz von Cookies auf Webseiten informieren? Wer liest Datenschutzerklärungen? Wer überprüft Zertifikate, wenn HTTPS zum Einsatz kommt? Jede Webseite, jede App verhält sich anders.

    Die Anbieter werben dann beispielsweise mit „militärischer AES-Verschlüsselung“ oder „totale Anonymität“, während Nutzer so etwas kaum hinterfragen oder gar nicht die Möglichkeit haben, dies zu überprüfen.

    Datenschutz muss also bei jedem Privatanwender selbst beginnen: Muss ich diese Internetseite/App wirklich nutzen? Was bringt mir die Nutzung? Wie sind meine Daten dort gesichert? Werden meine Daten weitergegeben? Welche Daten muss ich wirklich angeben? Sollte ich eine alternative E-Mail-Adresse verwenden? Und nach Nutzung sollte man in Erwägung ziehen, sein Konto auch löschen zu lassen! Vergessene, später gehackte Konten fördern digitalen Identitätsdiebstahl.

    • Comment Avatar Mike Kuketz sagt:

      Datenschutz muss also bei jedem Privatanwender selbst beginnen: Muss ich diese Internetseite/App wirklich nutzen? Was bringt mir die Nutzung? Wie sind meine Daten dort gesichert? Werden meine Daten weitergegeben? Welche Daten muss ich wirklich angeben? Sollte ich eine alternative E-Mail-Adresse verwenden? Und nach Nutzung sollte man in Erwägung ziehen, sein Konto auch löschen zu lassen! Vergessene, später gehackte Konten fördern digitalen Identitätsdiebstahl.

      Und da sind wir wieder beim digitalen Minimalismus – der Kreis schließt sich. ;-)

      • Comment Avatar Anonymous sagt:

        Ja so gesehen alles stimmig. Dennoch ist eine häufige Hürde spezielle Software.

        Kürzlich habe ich jemanden mit einem leichten Linux vertraut gemacht, wenig musste erklärt werden. Schnell kam die Person alleine zurecht, alles was man brauchte war da, perfekt. Einen Tag später: „Oh ich brauche Auto CAD. Das gibt es nur für Windows wie ich sehe, ich rede mal mit dem Prof ob ich das wirklich Zuhause brauche.“
        Klar habe ich ein paar Alternativen aufgezeigt trotzdem ist es oft noch ein Problem auch wenn der Wille da ist. Mit Dual-Boot wäre man dann immernoch auf Windows angewiesen und die Versuchung groß dann doch häufiger Windows beim booten auszuwählen und dann letztlich alles wieder mit Windows zu machen, denn es läuft ja ohnehin schon.

        • Comment Avatar Anonymous sagt:

          Das ist sicher ein absoluter Spezialfall. Daneben bestehen unter Umständen auch Möglichkeiten, diese Programme unter Linux zum Laufen zu bekommen.

          Solange man keine alternativlose Windows-only-Spezialsoftware nutzt oder seinen PC zum Spielen einsetzt, gibt es aber kaum eine Ausrede gegen Linux.

        • Comment Avatar Anonymous sagt:

          Da bleibt noch immer die obligatorische WindowsVM oder eventuell Wine ;-)
          Als Student stößt man leider immer wieder mal für eine Lehrveranstaltung auf Software die eventuell nur unter Windows läuft.

  3. Comment Avatar woodchuck sagt:

    Was sehr schwer zu vermitteln ist: Die Entscheidung für ein Betriebssystem, eine Software, einen Anbieter von digitalen Services ist letzten Endes auch immer eine politische Entscheidung.

    Auch ansonsten kritischen Zeitgenossen fehlt es da oft an dem nötigen Verständnis, ihre Wahrnehmung beschränkt sich auf die Oberfläche: Features, Usability, Design…

    Was deswegen an unseren Schulen dringend nötig wäre… ist kein Informatikunterricht, der einen vorgeblichen Fachkräftemangel beheben soll. Sondern Medienkunde, um aus Konsumenten emanzipierte Nutzer zu machen. Da unser Schulsystem allerdings zunehmend von einem Bildungsauftrag abrückt und zu einem bloßen Zulieferbetrieb der Wirtschaft degeneriert, mache ich mir in diesem Punkt allerdings keine übermäßigen Hoffnungen.

    • Comment Avatar Anonymous sagt:

      Die Tendenz geht zumindest in einem unserer reicheren Bundesländer sowieso schon vom Informatik-Pflichtfach weg.

      Daneben ist es an manchen Schulen absolut traurig, was da als Informatik-Unterricht angesehen wird und nicht selten beschränkt sich das auf Formeln in Excel schreiben, Serienbriefe in Word aufsetzen und wenn man ganz viel Glück hat, sogar ein Makro erstellen. Wenn man den entsprechenden Lehrer erwischt, wird auch vehement von LibreOffice/OpenOffice abgeraten, weil „das sowieso nicht funktioniert“.

      Solange Industrie und Medien inflationär mit dem Begriff Verschlüsselung um sich werfen, ohne dass der Masse die technischen Hintergründe, Risiken und Grenzen davon aufgezeigt werden, wird sich nichts ändern. Es wird aber kaum an den Schulen Unterrichte geben, die diese absolut wichtigen Grundlagen an Kinder und Jugendliche heranbringen. Dieser Unterricht müsste letztendlich erst einmal für die erwachsenen Nutzer zur Verfügung stehen und genutzt werden.

  4. Comment Avatar KumB sagt:

    Guter Artikel!

    Aber das bekannte Datenschutzparadoxon (Datenschutz ist egal, wenn ich dafür auch nur ein wenig ein bequemeres Leben habe)

    https://www.wiwo.de/privatsphaere-im-netz-das-datenschutz-paradoxon/14551790.html

    löst auch er nicht auf.
    Die Menschen wissen nicht und wollen nicht wissen, wie einfach es ist, sie zu manipulieren, wenn man fast alles über sie weiß. Der Traum jedes Propagandisten, jedes Geheimdienstes und auch jedes Kriminellen und Politikers.

    Die Snowden-Bilanz ist bisher äußerst zwiespältig: Der BND hat nun mehr Machtbefugnisse als je zuvor – die Bevölkerung schweigt.

    Ich glaube aber noch daran, dass es ein Erwachen geben kann.
    Zu plausibel ist doch die Annahme, dass ein nackt gemachter Mensch, die Interessen seines Beobachters nicht mehr zu frustrieren wagt. Oder liege ich falsch?

    Und beispielsweise Merkel IST nackt.
    Und ich finde das unanständig.

    • Comment Avatar Anonymous sagt:

      Die Frage, ob es ein „Erwachen“ gibt, hast du dir eigentlich schon selbst beantwortet. Nach der Aufdeckung von Echelon (nicht durch Snowden) und den Snowden-Akten ist kaum etwas passiert. Natürlich haben sich an vielen Stellen Aktivisten, Einzelpersonen und vielleicht Unternehmen versucht, aber letztendlich sorgt dieses angeblich alternativlose Handeln der Masse dafür, dass sich nichts ändert.

      Ich habe es schon an anderer Stelle geschrieben: Es gab ein Internet vor Facebook, vor Twitter, vor Amazon, vor WhatsApp, … Dementsprechend gab es auch eine Zeit, wo dort niemand war und niemand das genutzt hat. Irgendwer begann damit und dann sind diese Dienste gewachsen. Heutzutage sagt man sich, dass man nicht wechseln kann, weil angeblich niemand bei alternativen Diensten ist. Wirklich? Warum funktionierte das also damals und heutzutage nicht mehr? Reine Faulheit. Und diese Faulheit wird von Konzernen mit ihren Plug-and-Play-IoT-Geräten und One-Klick-Apps perfekt bedient, sodass der Endnutzer technisch immer weiter verdummt und ihm zahlreiche Entscheidungen zugunsten der Großkonzerne abgenommen werden.

      • Comment Avatar Anonymous sagt:

        Politisch ist zwar seit den Snowden Enthüllungen kaum was passiert, jedoch trifft das nicht auf die technische Seite zu.
        Es wird deutlich mehr Wert auf Verschlüsselung gelegt (man beachte den Prozentsatz der https Seiten oder auch die Anzahl der Messenger mit Ende-zu-Ende Verschlüsselung).
        Auch die Anzahl der Tor Nodes ging massiv nach oben – post-Snowden ist Tor wirklich deutlich schneller geworden

  5. Comment Avatar Frank sagt:

    Alle, die diese Seiten hier lesen, bewegen sich außerhalb der NORMalität.
    Traurig, aber wahr.
    Die Masse bildet die Norm, die Masse benutzt Computer (in allen ihren Formen), hat aber Null Ahnung davon, was man schnell merkt, wenn ein nur noch so kleines Problem auftritt.
    Dementsprechend hat die Masse keine Ahnung was die Technik alles hergibt.
    Klar, kann man alles im Internet lesen, wenn man danach sucht.
    Aber in den Mainstream-Sendungen etc. ist das kein wirkliches Thema, deshalb erreicht es auch die Masse nicht
    Okay, von Snowden hat nun wirklich jeder gehört, aber die wirkliche Auswirkung haben die meisten nicht verstanden. Wie schreibt Netzpolitik.org so simpel. Man braucht nur Terror-Gefahr rufen, schon wird alles durchgewunken und das Volk nichts zustimmend :-(

    • Comment Avatar danonyb sagt:

      Psychologisch betrachtet ist der Mensch ein Lamm in einer Herde, der das macht, was die große Masse macht und zwar UNABHÄNGIG davon, ob es Sinn macht oder nicht. Das nennt sich Lemming-Verhalten. Das liegt darin, dass evolutionär gesehen Tiere in einer Gruppe bessere Überlebenschancen haben als Außenseiter.
      Diese Theorie wurde schon mehrfach bewiesen und ist nach wie vor präsent.

      Die Lösung:
      Wenn die Herde in die falsche Richtung läuft, solltet ihr niemals hinterher laufen.

  6. Comment Avatar kommunist sagt:

    Offensichtlich ist es so: wird nicht ein ausreichendes Selbstdatenschutzniveau erreicht, dann werden nicht nur kollektive Rechtsgüter vor die Hunde gehen, sondern Selbstdatenschutz irgendwann nur noch zu dem Preis möglich sein, mit Aluhut in Walden zu leben.

    Aber gilt das auch umgekehrt? Den Unkenrufen hier zum Trotz: den politisch relevanten Teilen der europäischen Bevölkerung, also nicht jenen, die ihre Internetempfangsgeräte erwerben, um damit RTLII zu sehen, passt diese Datensammlerei überhaupt nicht, auch wenn sie sie ihr Kommunikationsalltagsverhalten noch nicht ausreichend anpassen. (BTW: es gibt sehr intelligente und gebildete Menschen, die nicht wissen, dass es die Tastenkombination Strg und C gibt. Denen kann man ein Cutom Rom flashen, und dann rufen sie mit dem Festnetz an, weil sie die Kontakteapp nicht finden. Ist OK. Wir alle haben von den meisten Dingen keine Ahnung. Die meisten ITler sind hier borniert). Aber mal angenommen, dass ändert sich, ich bin da optimistisch. Wird informationelle Selbstbestimmung dann stärker verwirklicht werden, weil die regulatorischen Rahmen verschärft werden, weil Datenschutz das neue Öko wird?

    Wohl kaum. Es sind transnationale Konzerne amerikanischer Provinienz, die mit Nutzerdaten und rechtlich fragwürdigen Geschäftsmodellen Milliarden verdienen. Der Hamburger Dtenschutzbeauftragte verbietet Whatsapp die Anwendung der neuen AGB? Who cares? Seit dem Kauf von WA integriert FB die WA-Nutzerdaten, und es gibt keinen nationalstaatlichen Akteur, der dies verhindern könnte.

    Staaten haben ein viel offensichtlicheres Interesse an Besteuerung als an dem Schutz der Daten ihrer Bürger – trotzdem zahlen Facebook und Google nirgendwo auf der Welt Steuern.

    98% der Deutschen wollen keine Nahrungsmittel aus Gentechnik kaufen – Selbstnahrungsschutz erfordert aber nach wie vor das Abbonement obskurer Broschüren aus Umweltpapier – im Supermarkt gibt es keine Gentechnik nicht.

    Facebook und Google sin Produkte der Globalisierung. Globalisierung bedeutete zunächst, Finanzkonzerne aus den nationalen regulatorischen Rechtsrahmen zugunsten eines globalen Laizes-faire zu befreien (und die verbliebenen Regeln dann nicht durchzusetzen), und in dem selben Raum operieren nun auch andere Branchen.

    Die Aggregation von Verhaltensdaten ist eine Bedrohung von Demokratie, Menchenwürde und allem, was uns wichtig ist. Selbstdatenschutz ist keineswegs hinreichend, um der Bedrohung zu begegnen, bietet aber Handlungsmöglichkeiten – deshalb wird so viel darüber gesprochen. Vor dem eigentlichen Problem stehen wir aber wie das Kaninchen vor der Schlange.

  7. Comment Avatar Citizen One sagt:

    @kommunist

    Ein sehr guter Kommentar zum Thema. Also, alles tun was das Generieren und die Aggregation von Nutzerdaten ermöglicht.

  8. Comment Avatar Ralf sagt:

    Sehr guter Artikel zu diesem Thema.
    Ich bin wirklich begeistert!
    Ich selber betreibe einen XMPP Server, eine Nextcloud Instanz und eine humhub installation als Alternativen zu den gängigen ANbietern… nur leider trifft dies selbst innerhalb der eigenen Familie auf nur mäßige Annahme. Aussagen wie „Alle meiner Bekannten haben WhatsAPP, Facebook und GDrive!“ höre ich fast täglich und werden als „Totschlagarrgument“ gegen meine Arrgumente hergenommen…
    Die meisten Menschen interessiert nicht, welche Daten, in welcher Form, von wem, zu welchem Zweck und ich welcher Art gespeichert werden.

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